An­reiz­re­gu­lie­rung von Strom- und Gas­netz­be­trei­bern

In einer marktwirtschaftlichen Wirtschaftsordnung sorgt der Wettbewerb für günstige Preise, gleicht Angebot und Nachfrage aus und motiviert die Unternehmen, nach neuen Produkten und kostengünstigen Verfahren zu suchen. Allerdings gehören die Strom- und Gasnetze zu den sogenannten „natürlichen Monopolen“, in denen der Wettbewerb nur eingeschränkt wirkt oder ganz außer Kraft gesetzt ist.

In der Regel ist es volkswirtschaftlich nicht sinnvoll, in einem bestimmten Versorgungsgebiet parallele Strom- oder Gasleitungsnetze von verschiedenen Unternehmen aufzubauen. In der Anreizregulierung werden im Grundsatz die Erlöse des Netzbetreibers vor Beginn einer sogenannten Regulierungsperiode festgeschrieben. Der Netzbetreiber hat dadurch den Anreiz, im Laufe der Regulierungsperiode seine Bestandskosten möglichst weit unter das für die Regulierungsperiode festgelegte Ausgangsniveau abzusenken. Das Ausgangsniveau simuliert die Kosten eines effizienten und strukturell vergleichbaren Netzbetreibers.

Anforderungen an die Regulierung

Durch die Regulierung muss ein diskriminierungsfreier Zugang zum Netz gewährleistet sein und es muss sichergestellt sein, dass Netzbetreibern ausreichende finanzielle Mittel für den Betrieb ihrer Netze zur Verfügung stehen. Verschiedene Instrumente ermöglichen ein höchstmögliches Maß an Planungssicherheit zur Refinanzierung von Investitionen.  

Die Energiewende erfordert Netzaus- und -umbau, der Investitionen in Milliardenhöhe notwendig macht.

Im Interesse der privaten Verbraucherinnen und Verbraucher, der Gewerbe- und Industriekunden sowie der Energieversorgungsunternehmen müssen die Entgelte für die Durchleitung von Strom und Gas transparent und angemessen kalkuliert werden.

Das Prinzip des simulierten Wettbewerbs

Ein wesentliches Element der Anreizregulierung sind die Regulierungsperioden.

Diese beziehen sich bis einschließlich zur 4. Regulierungsperiode (Beginn Gas 2023/Strom 2024) auf jeweils fünf Jahre. Die Bundesnetzagentur beabsichtigt,den Zeitraum ab der 5. Regulierungsperiode auf drei Jahre zu verkürzen.

Vor Beginn einer Regulierungsperiode

Die Bundesnetzagentur und die zuständigen Landesregulierungsbehörden legen jeweils vor Beginn einer Regulierungsperiode fest, welche Erlöse dem Netzbetreiber Jahr für Jahr während der Regulierungsperiode zur Verfügung stehen sollen. Dafür werden zunächst die betriebsnotwendigen Kosten des Netzbetreibers aus dem Basisjahr im folgenden Jahr geprüft. Diese Kosten gehen in einen Effizienzvergleich ein und sind der Ausgangspunkt für die Bestimmung der angemessenen Erlöse. Mit den genehmigten Erlösen kann das Unternehmen seine Aufgaben als Netzbetreiber erfüllen.

Da die Erlöse bereits vor der Regulierungsperiode fixiert werden, sind die tatsächlich entstehenden Kosten und die Erlöse des Netzbetreibers für die Dauer der Regulierungsperiode voneinander entkoppelt. Wenn der Netzbetreiber seine Bestandskosten unter die zugestandenen Erlöse senken kann, erhält er einen Zusatzgewinn. Kann er dies nicht, ergibt sich eine Gewinnminderung, die in diesem Jahr auch zu Verlusten führen kann. Dadurch wird der Anreiz gesetzt, dass der Netzbetreiber seine Produktivität steigert und die Kosten senkt.

Diese Kostensenkungen werden in der Kostenprüfung zur nachfolgenden Regulierungsperiode erfasst und gehen so in die Erlösbestimmung für die nächste Regulierungsperiode ein. Die realisierte Kostensenkung des Netzbetreibers kommt also zeitverzögert auch dem Netznutzer zugute.

Kostensenkungen werden also erreicht, ohne dass eine Behörde detaillierte und unternehmensspezifische Vorgaben zu einzelnen Kostenpositionen machen muss. Stattdessen soll der Wissensvorsprung des Netzbetreibers über sein eigenes Effizienzpotenzial verwendet werden. Das Gewinnstreben der Netzbetreiber senkt das Kostenniveau selbst.

Durch die Systematik der Anreizregulierung wird also ein Druck zur Kostensenkung erzeugt. Wie auf einem Wettbewerbsmarkt werden die Netzbetreiber so motiviert, besser als vergleichbare Netzbetreiber in anderen Regionen und auch besser als sie selbst in der Vergangenheit zu wirtschaften und zu investieren.

Dem Netzbetreiber steht neben den Gewinnen aus Kostensenkungen auch eine angemessene Verzinsung seines eingesetzten Kapitals zu. Die Höhe des Eigenkapitalzinssatzes wird durch die Beschlusskammer 4 gemäß den Vorgaben der Strom- und Gasnetzentgeltverordnung vor Beginn der Regulierungsperiode festgelegt. Die sich daraus ergebende sogenannte kalkulatorische Eigenkapitalverzinsung geht in die Erlösobergrenze ein.

Typisierter Erlös- bzw. Kostenverlauf

Ablauf einer Regulierungsperiode

Typisierter Erlös- bzw. Kostenverlauf in der Anreizregulierung Typisierter Erlös- bzw. Kostenverlauf in der AnreizregulierungQuelle: Bundesnetzagentur, Hintergrundpapier NEST-Prozess zum Sonderbeirat am 17.09.2025

Kontinuierliche Verbesserung der Regulierung

Schon nach der Einführung der Anreizregulierung hat die Bundesnetzagentur in regelmäßigen Abständen die Vorschriften zur Anreizregulierung kritisch betrachtet. Hierbei sind sowohl betroffene Branchenverbände, der Netzbetreiber, der Netznutzer und die Politik zu Wort gekommen. Aufgrund dieser Evaluation wurden dem Verordnungsgeber Vorschläge zur Anpassung des geltenden Regulierungsrahmens an aktuelle Entwicklungen gemacht.

Mit dem Urteil vom 02.09.2021 (Az. C-718/18)

hat das EuGH entschieden, dass die Bundesrepublik Deutschland durch die Regelung der Anreizregulierung durch Verordnungen, z.B. die ARegV oder die StromNEV, gegen festgelegte Zuständigkeiten aus den europäischen Richtlinien verstoßen hat. Die Bestimmung der Methoden zur Berechnung oder Festlegung der Bedingungen für den Anschluss an und den Zugang zu den nationalen Netzen, einschließlich der anwendbaren Tarife muss ausschließlich bei der nationalen Regulierungsbehörde, also der Bundesnetzagentur liegen.

Durch die EnWG-Novelle 2023 hat der Gesetzgeber die Verordnungsermächtigung für die Bundesregierung aufgehoben und durch eine Festlegungskompetenz ersetzt. Diese Änderung tritt allerdings erst mit Ablauf der 4. Regulierungsperiode Ende 2027 für Gas, 2028 für Strom in Kraft. Für die Übergangszeit wurde der Bundesnetzagentur eine Abweichungskompetenz übertragen. Dieser Zeitraum sollte für eine ausreichende materielle Stabilität sorgen, die für Rechts-, Planungs- und Investitionssicherheit wichtig ist.

Ebenfalls durch die EnWG-Novelle wurde bei der Bundesnetzagentur die Große Beschlusskammer Energie gem. § 59 Abs. 3 EnWG errichtet. Sie setzt sich aus dem Präsidium und den sachlich zuständigen Beschlusskammervorsitzenden und Abteilungsleitern der Bundesnetzagentur zusammen.

Festlegungen

Die neuen Festlegungen der Bundesnetzagentur werden durch die Große Beschlusskammer Energie innerhalb mehrerer Verfahren festgelegt. Neben dem NEST-Prozess gibt es für Netzentgelte noch das Verfahren zur Festlegung der Allgemeinen Netzentgeltsystematik Strom (AgNes), sowie das Verfahren zur Abschmelzung der Entgelte für dezentrale Erzeugung in den Jahren 2026 bis 2028 und für Wasserstoff das Verfahren WANDA sowie das Verfahren KOSMO.

Durch diese Festlegungen wird die Grundlage für die 5. Regulierungsperiode (Gas 2028 / Strom 2029) geschaffen.

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