Be­schluss­kam­mer 6

Festlegungen zum Bilanzkreisausgleich, zur Anpassung des 80%-Kriteriums in der Berechnungsmethode zur Bildung des Ausgleichsenergiepreises sowie zur Übermittlung der Messwerte von RLM-Marktlokationen an den Übertragungsnetzbetreiber

18.07.2019

Dem Bilanzkreis- und Ausgleichsenergiepreissystem kommt eine zentrale Bedeutung für die Gewährleistung der Elektrizitätsversorgungssicherheit zu. Als wesentliche Marktakteure sind die Bilanzkreisverantwortlichen (BKV) zu einer sorgfältigen Prognose und Bewirtschaftung ihrer Bilanzkreise verpflichtet. Dabei sollen sie das Elektrizitätsversorgungssystem durch ihr Verhalten jederzeit stützen (Art. 17 Abs. 1 VO (EU) 2017/2195 (EB-VO)) und die wirtschaftlichen Folgen eines fehlenden Ausgleichs ihrer Bilanzkreise tragen.

Die jüngsten Vorfälle, in denen unter anderem das Marktverhalten zu einer erheblichen Abweichung des Saldos des Netzregelverbundes beigetragen hat, geben der Beschlusskammer Anlass, Maßnahmen zur Stärkung der Bilanzkreistreue zu ergreifen.

Die Beschlusskammer weist die BKV ausdrücklich auf ihre in Art. 17 Abs. 1 EB-VO und § 4 Abs. 2 S. 2 StromNZV geregelte Verpflichtung hin, sich bilanztreu zu verhalten. Eine bewusste Manipulation der Verbrauchs- und Entnahme-Prognose sowie das Unterlassen einer erforderlichen Prognoseanpassung oder des Bilanzkreisausgleichs stellt ebenso wie jede Art verbotswidriger Arbitragegeschäfte auf den Ausgleichsenergiepreis eine Verletzung der Prognose- und Ausgleichspflicht dar. Die Beschlusskammer sieht die Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) in jedem Fall eines Verstoßes als verpflichtet an, vertragliche Sanktionen zu ergreifen und eine außerordentliche Kündigung des Bilanzkreisvertrages zu prüfen. Darüber hinaus behält sich die Beschlusskammer vor, selbst Aufsichtsmaßnahmen einzuleiten.

Zur Stärkung der Bilanzkreistreue beabsichtigt die Beschlusskammer zudem, kurzfristig folgende Maßnahmen per Festlegung anzuordnen:   

1. Die BKV werden mit sofortiger Wirkung verpflichtet, ihre Bilanzkreise spätestens 15 Minuten vor dem Erfüllungsbeginn durch eine entsprechende Fahrplanmeldung auszugleichen (Az. BK6-19-212).

Diese Regelung ist als Teil eines umfangreicheren Maßnahmenpaketes bereits im Verfahren  BK6-18-061 (Modalitäten für BKV) konsultiert und mit Wirkung zum 01.05.2020 genehmigt worden. Das jetzige Verfahren zielt darauf, die Einzelregelung isoliert vorzuziehen.

Demnach sind alle Bilanzkreise rechtzeitig auszugleichen und offene Positionen zu schließen. Während der letzten Viertelstunde vor Erfüllung dürfen Fahrpläne regelzonenintern unter Ausweis einer ausgeglichenen Viertelstunden-Leistungsbilanz des Bilanzkreises weiter angemeldet werden. Möglich bleibt auch die Anmeldung des korrespondierenden Fahrplans des Handelspartners ebenso wie des gesamten, aber noch vor dem Erfüllungszeitpunkt getätigten, Geschäftes im nachträglichen Fahrplanmanagement. Eine Meldung, die ein Ungleichgewicht des Bilanzkreises ausweist, ist ebenso wie das Einstellen oder Aufrechterhalten offener Positionen unzulässig.

2. Die Tenorziffer 2 der Festlegung zur Weiterentwicklung des Ausgleichsenergiepreis-Abrechnungssystems vom 25.10.2012 (Az. BK6-12-024) wird dahingehend angepasst, dass in Viertelstunden, in denen der Saldo des deutschen Netzregelverbundes einen Wert von mehr als 80 % der kontrahierten Regelleistung in der entsprechenden Richtung ausweist, im Rahmen der Bilanzkreisabrechnung bei Unterspeisungen ein Zuschlag und bei Überspeisungen ein Abschlag auf den reBAP von 50 %, mindestens jedoch 100 €/MWh erhoben wird (Az. BK6-19-217).

Ein Zuschlag bzw. Abschlag auf den Ausgleichsenergiepreis soll in Situationen mit hohem Systemungleichgewicht im deutschen Netzregelverbund einen zusätzlichen Anreiz zum Bilanzausgleich setzen. Gegenwärtig ist dies daran gekoppelt, dass durch die ÜNB mehr als 80 % der vorgehaltenen Regeleistung abgerufen wird. Allerdings ist in jüngster Vergangenheit zu beobachten, dass diese Anreizkomponente in zahlreichen Fällen nicht mehr greift, obwohl ein erhebliches Systemungleichgewicht zu verzeichnen ist. Dies liegt u.a. darin begründet, dass die deutschen ÜNB im Rahmen einer Auslandkooperation, die der Saldierung von Leistungsungleichgewichten zur Vermeidung eines gegenläufigen Abrufs von Regelarbeit bei den beteiligten ÜNB dient, signifikante Energiemengen zum Ausgleich des deutschen Übertragungsnetzes liefern bzw. beziehen. Dadurch mindert sich der Abruf von Regelleistung für den deutschen Netzregelverbund, und die 80%-Schwelle wird oftmals nicht erreicht. Weiter setzen die ÜNB in Fällen mit extrem hohen Systemungleichgewichten Zusatzmaßnahmen (Börsengeschäfte, Notreserve aus dem Ausland etc.) in erheblichen Umfang ein, um die Netzsituation zu beherrschen und die Regelfähigkeit des Systems aufrecht zu erhalten. Diese Zusatzmaßnahmen entlasten die Regelleistung, so dass deren Abruf unter die 80%-Schwelle absinkt.

Demgegenüber umfasst der Saldo des deutschen Netzregelverbundes sämtliche Energiemengen, die die ÜNB für die Ausregelung des Ungleichgewichts des deutschen Netzregelverbundes – hervorgerufen durch die „Schieflage“ der Bilanzkreise – aktiv einsetzen. Insoweit erscheint der Saldo des deutschen Netzregelverbundes als eine angemessene Bezugsgröße für das Auslösen der Anreizkomponente.

Ein Inkrafttreten dieser Regelung ist im Verlauf des dritten Quartals 2019 angedacht.

Die Beschlusskammer weist darauf hin, dass weitere Maßnahmen zur Weiterentwicklung des Ausgleichsenergiepreissystems folgen werden. Dies gilt insbesondere für die Anpassung der Börsenpreiskopplung (vgl. Beschluss BK6-12-024). Die ÜNB werden hiermit aufgefordert, schnellstmöglich gemäß den europarechtlichen Vorgaben einen Vorschlag zu erarbeiten, der durch eine Kopplung des Ausgleichsenergiepreises an einen geeigneten Börsenpreisindex Anreize zur Arbitrage gegen den Ausgleichsenergiepreis beseitigt, und der Bundesnetzagentur zur Genehmigung vorzulegen. Eine Umsetzung der betreffenden Regelungen zur Börsenpreiskopplung sollte bereits vor Einführung der Regelarbeitsmärkte erfolgen.

3. Übermittlung der Messwerte von RLM-Marktlokationen an den ÜNB (Az. BK6-19-218).

Einführung einer standardmäßigen werktäglichen Übermittlung aller Messwerte RLM-gemessener Verbrauchs- und Erzeugungsanlagen an die ÜNB:

Derzeit erhalten die ÜNB im Rahmen der Bilanzkreisabrechnungsprozesse erst rund 6 Wochen nach Ende des betreffenden Liefermonats Zeitreihen, die eine belastbare Informationslage über die Ausgeglichenheit der Bilanzkreise in der jeweiligen Regelzone vermitteln. Durch die Einführung einer Übermittlungspflicht für die Messwerte aller RLM-gemessenen Marktlokationen am folgenden Werktag sollen die ÜNB insbesondere in die Lage versetzt werden, im Rahmen des Fahrplanmanagements die von den BKV vor Erfüllungszeitpunkt angelieferten Prognosefahrpläne (FC_PROD / FC_CONS) mit Hilfe aktueller Einspeise- und Verbrauchswerte zu verifizieren und darüber hinaus im Rahmen des Bilanzkreismanagements kurzfristig nach Erfüllungszeitpunkt eine bessere Informationslage über die Ausgeglichenheit von Bilanzkreisen zu erhalten.

Ein Inkrafttreten dieser Verpflichtung ist mit Wirkung zum 01.10.2019 angedacht.

Die technische Realisierung der Datenlieferungen an die ÜNB unterscheidet zwischen der Anwendung im Rahmen des Interimsmodells der Marktkommunikation (bis einschließlich 30.11.2019) und der Anwendung nach den Vorgaben der Marktkommunikation 2020 (ab 01.12.2019):

  • Im Interimsmodell der Marktkommunikation

    o   Stammdatenübermittlung aller betroffenen RLM-Marktlokationen vom NB an den jeweiligen ÜNB mittels einer zum 01. sowie zum 15. Kalendertag eines Monats zu übermittelnden Lieferantenclearingliste

    o   Messwertübermittlung vom NB an den jeweiligen ÜNB, parallel zu der bereits nach GPKE verpflichtenden werktäglichen RLM-Messwertübermittlung an den LF

  • Im Geltungsbereich der MaKo 2020

    o   Stammdatenübermittlung: Der LF sendet im Rahmen der Stammdatensynchronisation nicht nur Stammdaten für solche Marktlokationen an den ÜNB, für die der ÜNB die Datenaggregationsverantwortung hat, sondern zusätzlich auch für alle RLM-gemessenen Marktlokationen

    o   Messwertübermittlung: Der MSB nimmt den ÜNB als weiteren Messwertempfänger mit in die Verteilung auf und sendet ihm alle Messwerte werktäglich zu.


Die Beschlusskammer gibt hiermit allen Marktakteuren die Möglichkeit zur Stellungnahme. 

Die Abgabe von Beiträgen ist möglich bis spätestens

9. August 2019 (Eingang hier mit Anlagen). 


Für die Durchführung der Konsultation erteilt die Beschlusskammer folgende Hinweise:

Bitte richten Sie Ihre Stellungnahme ausschließlich per E-Mail an poststelle.bk6@bnetza.de. Anlagen zur E-Mail werden erbeten als Word-Format (.DOCX) oder als PDF mit druck- und kopierbarem Text.

Die Bundesnetzagentur behält sich vor, die eingegangenen Stellungnahmen auf der Internetseite der Bundesnetzagentur zu veröffentlichen. Soweit in den übermittelten Dokumenten personenbezogene Daten (z.B. Namen, Unterschriften, Telefonnummern, E-Mail-Adressen mit Namen als Bestandteilen) enthalten sind, wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es der einsendenden Stelle obliegt, entweder eine Einwilligung des Betroffenen in die Veröffentlichung seiner personenbezogenen Daten einzuholen oder zusätzlich eine für die Veröffentlichung bestimmte Fassung zu übersenden, in der die personenbezogenen Daten geschwärzt sind. Entsprechendes gilt, soweit in den übermittelten Stellungnahmen Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse enthalten sind.

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