"Be­wusst­sein schaf­fen al­lein reicht nicht."

Diversity-Tag: Wie divers ist die Bundesnetzagentur?

Interview mit Dr. Silke Klaes, Frank Groß und Anna Papathanasiou (von rechts nach links)

Interview mit Dr. Silke Klaes und Frank Groß, Mitgründer*innen von BuntesNetz@agentur, dem queeren Mitarbeitendennetzwerk, zum Diversity-Tag am 27. Mai 2025.

Die Bundesnetzagentur feiert den Diversity-Tag. Aber was ist damit eigentlich gemeint?

Klaes: "Diversität heißt Vielfalt. Menschen sind unterschiedlich in Herkunft, Alter, Geschlecht, sexueller Orientierung, Religion, körperlicher Beeinträchtigung. Und alle haben die gleichen Rechte. Niemand darf diskriminiert werden. Der Diversity-Tag rückt das in unser Bewusstsein."

Groß: "Es gibt Lebensentwürfe und Lebensmodelle in verschiedenen Facetten. Das kennen wir schon alles aus der Anti-Diskriminierung. Aber hier ist es positiv formuliert. Wir sehen den Mehrwert in der Unterschiedlichkeit."

Klaes: "Bezogen auf die Arbeitswelt heißt das: Ein Unternehmen oder eine Behörde kann dazu beitragen, dass sich alle wohlfühlen. Alle können ihre Facetten einbringen."

Groß: "Diversität anzuerkennen heißt: Der Mensch steht im Mittelpunkt, nicht ein Merkmal. Es heißt auch, Unterschiedlichkeit sichtbar zu machen, ohne einen Menschen auf seine Besonderheit zu reduzieren."

Der erste Schritt ist also, ein Bewusstsein zu schaffen?

Groß: "Ja, das ist wichtig. Aber es muss dann auch eine Programmatik folgen. Maßnahmen."

Klaes: "Es darf auch nicht bei einem Schlagwort bleiben. Diversität – was soll das überhaupt sein? Wir wollen das in der Bundesnetzagentur mit Inhalt füllen. Jeder Arbeitgeber profitiert davon, die Unterschiedlichkeit der Beschäftigten wertzuschätzen, sie als einen Vorteil zu erkennen. Untersuchungen zeigen, dass die Ergebnisse eines Unternehmens dann insgesamt besser werden."

Groß: "Für mich als Mitarbeiter bedeutet das: Ich brauche mich nicht zu verstecken. Ich werde hier angenommen mit allem, was ich bin. Auch, wenn ich nicht der vermeintlichen Mehrheit angehöre. Gerade jüngere Kolleg*innen fordern diese Haltung des Arbeitgebers ein. Die Bundesnetzagentur hat die Charta der Vielfalt unterzeichnet. Sie verpflichtet sich damit, nach diesen Grundsätzen zu handeln. Das ist Vielen wichtig. Aber es darf nicht zum Feigenblatt werden"

Mein Eindruck ist, dass das Thema in letzter Zeit präsenter ist als noch vor einigen Jahren. Woran liegt das?

Klaes: "Die Privatwirtschaft hat vor zehn, fünfzehn Jahren erkannt, dass der Unternehmenserfolg steigt je diverser die Teams sind. Viele haben den Mitarbeitenden eine Atmosphäre geschaffen, in der sich alle willkommen fühlen. Das wurde richtig institutionalisiert. Bei Behörden war das lange Zeit nicht so. Es fehlte auch der politische Wille. Außerdem gab es keine Konkurrenz wie zwischen Unternehmen am Arbeitsmarkt, sodass es keinen ökonomischen Bedarf gab. Aber auch Behörden suchen Fachkräfte und wollen für zukünftige Beschäftigte attraktiv sein."

Groß: "Die Politik muss auch manchmal vorangehen. Erst die letzte Regierung hat überhaupt erlaubt, die Regenbogenfahne zu hissen. Die Ampel war die erste Regierung, die eine Diversitäts-Strategie ausgerufen hat. Sie hat explizit das Ziel vorgegeben, Diversität in der Bundesverwaltung sichtbarer zu machen und zu fördern."

Ich zitiere mal aus dem Papier der Bundesregierung von Januar 2025: „So vielfältig wie Deutschlands Gesellschaft, so vielfältig muss der öffentliche Dienst aufgestellt sein.“ Ist das der Anspruch, Vorbild zu sein?

Groß: "Ja, der öffentliche Dienst ist ein Abbild der Gesellschaft. Wir haben auch einen Inklusionsauftrag. Es gibt ja auch schon viele Programme. Es gibt Beauftragte für Menschen mit Behinderung, für Frauen, für Inklusion, etc. "

Klaes: "Aber „Diversität im öffentlichen Dienst“ als Vorbildfunktion hat die Ampel eingeführt. Ein Überbegriff für alle Gruppen, die Diskriminierung ausgesetzt sind."

Groß: "Im Koalitionsvertrag der neuen Regierung stehen auch ein paar schöne Sätze drin. Ich lese mal vor: „Wir werden den Nationalen Aktionsplan gegen Rassismus, aufbauend auf einer wissenschaftsbasierten Rassismusdefinition neu auflegen, um Rassismus in seinen verschiedenen Erscheinungsformen zu bekämpfen. (…) Wir verpflichten uns weiterhin, queeres Leben vor Diskriminierung zu schützen. Es muss für alle Menschen, unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung selbstverständlich sein, gleichberechtigt, diskriminierungsfrei und gewaltfrei leben zu können. Dazu wollen wir mit entsprechenden Maßnahmen das Bewusstsein schaffen, sensibilisieren und den Zusammenhalt und das Miteinander stärken.“"

Klaes: "Da steht aber nichts zu Altersdiskriminierung und auch nichts zu sexueller Identität."

Wenn Angehörige der Mehrheit vorschlagen, Minderheiten einzuschließen, klingt das immer ein bisschen generös. Als würde man den armen Unterdrückten einen Gefallen tun. Aber hat denn nicht auch die Mehrheit etwas davon, wenn die Gesellschaft diverser wird?

Klaes: "Ja, dahin geht auch die Diversitätskritik. Die Frage, ob diese Inklusion nur übergestülpt ist oder ob sie von unten, aus den Netzwerken, wächst."

Groß: "Aber so lief es doch auch. Die Verbände haben die Regierungen vor sich hergetrieben. Zum Beispiel der Lesben- und Schwulenverband hat ja unter dem Label Art. 3 Grundgesetz (Gleichheit vor dem Gesetz, Verbot von Diskriminierung aufgrund bestimmter Eigenschaften, Anm. d. Red.) Fortschritte erkämpft. Sie sind vor die Gerichte gezogen und die haben es dem Gesetzgeber aufgegeben, Diskriminierung wirklich zu bekämpfen. Ohne diese Initiativen stünden wir nicht da, wo wir heute stehen."

Wo stehen wir denn?

Klaes: "Auf dem Papier haben alle die gleichen Rechte. Aber in der Realität gibt es immer noch viele Angriffe auf Frauen, queere oder migrantische Menschen. Leider sehen wir vor allem unter jungen Menschen, besonders in den sozialen Medien, einen Trend zu offener Feindseligkeit gegenüber diesen Gruppen. Das kommt aus extremen rechten Kreisen. „Woke“ ist bei denen ein Kampfbegriff. Wir müssen das, was wir erreicht haben, immer wieder verteidigen."

Groß: "Wenn eine Gruppe mehr Rechte bekommt, haben manche Angehörige der Mehrheit Angst, dass man ihnen etwas wegnimmt. Als wir das „Bunte Netz“ gegründet haben, kam ein Kollege auf mich zu. Er sorgte sich darum, ob er als Mann noch einen Job als Führungskraft bekommen würde. Solche Leute denken, mein Kuchen wird kleiner, weil andere jetzt auch noch was abhaben wollen. Es reicht also nicht, nur ein Bewusstsein zu schaffen."

Reden wir doch mal Klartext: Wie divers ist denn die Bundesnetzagentur?

Klaes: "Es gibt mehr Sichtbarkeit. Das ist schon mal gut. Aber wir stecken noch in den Kinderschuhen."

Groß: "Im Personalentwicklungskonzept steht, dass wir Vielfalt fördern wollen. Bei Einstellungen achten wir darauf, diverse Menschen zu Vorstellungsgesprächen einzuladen. Im Referat Personalentwicklung gibt es Leute, die sich mit Diversitätsmanagement befassen. Es gibt Schulungen für Führungskräfte zur Diversity-Sensibilisierung. Wir waren auch auf der queeren Jobmesse in Köln mit einem Stand vertreten. Da gab es viel Interesse und tolle Rückmeldungen."

Klaes: "Es ist der erste Schritt, Diversität zu institutionalisieren. Dann müssen Handlungen folgen. Wir hatten bei uns in der Behörde zum Beispiel mal einen Workshop für alle Interessierten zur gendergerechten Sprache."

Formal ist die Bundesnetzagentur also auf einem guten Weg. Es passiert etwas. Aber wenn Ihr mit den Kolleg*innen sprecht, was hört Ihr da?

Groß: "Ich habe Kritik zu manchen Einzelmaßnahmen gehört. Zum Diversity-Tag im letzten Jahr gab es Regenbogenwaffeln und eine Kochbuchaktion. Bei der konnten alle, die wollten, Rezepte aus ihren Herkunftsländern einreichen. Da haben welche gesagt: „Ja, schön. Nice try, aber in der Kantine kriege ich kein halal. Und dann muss ich mich noch rechtfertigen, weil ich das einfordere. Und meinen Namen spricht auch niemand richtig aus.“ Wir alle, auch die Personalabteilung nehmen diese Kritik sehr ernst und verbessern die Maßnahmen. Wir sind sensibel und sorgsam unterwegs."

Klaes: "Ich sehe, dass die jungen Mitarbeitenden einen anderen Anspruch haben. Die kommen frisch von der Uni und erwarten selbstverständlich eine Offenheit beim Thema Diversität. Die kritisieren, dass wir nicht mit dem werben, was wir schon haben. Das Bunte Netz ist nicht bekannt bei den Bewerber*innen. Selbst im Haus kennen das Viele nicht. Außerdem gibt es immer wieder die grundsätzliche Kritik, dass wir die Charta der Vielfalt nur als Feigenblatt nutzen. Ich persönlich wünsche mir auch, dass dieses offizielle Statement mit mehr Leben gefüllt wird."

Fühlt Ihr Euch als Buntes Netz vom Präsidium unterstützt?

Beide: "Auf jeden Fall."

Groß: "Die haben uns von Anfang an unterstützt. Ich erzähle mal eine Geschichte, die das am besten zeigt. Vor drei Jahren wurde Barbie Haller zur Vizepräsidentin ernannt. Sie bekam ihre Urkunde in Berlin, zufällig am Diversity-Tag und die Hauptstadt war voller Regenbogen-Fahnen. Sie kam zurück nach Bonn und fragte mich, was denn hier los sei. „Wo ist die Regenbogen-Flagge?“ Und dann haben wir die natürlich sofort beschafft. Seitdem gehört sie neben der Europa- und der Deutschland-Flagge zum Repertoire. Ich habe das damals zum Anlass genommen, mit Silke und zwei Anderen das Bunte Netz zu gründen. Inzwischen sind wir so knapp vierzig Leute. Aus Bonn und einigen weiteren Standorten, wie z.B. Cottbus. Wir vernetzen uns auch mit anderen Behörden bei einem Stammtisch."

Klaes: "Wir haben nicht den Status wie ihn zum Beispiel die Gleichstellungsbeauftragte hat. Es ist ein Netzwerk von Freiwilligen. Wir arbeiten daran, uns bekannter zu machen."

Was wünscht Ihr Euch noch?

Klaes: "Wir wollen als Buntes Netz Vorreiter sein für andere diverse Gruppen im Haus. Es wäre schön, wenn sich Andere durch uns ermutigt fühlen. Gut wäre auch, wenn es eine institutionalisierte Stelle gäbe. „Diversitätsmanager“ als Dienstbezeichnung. Dann könnten sich Beschäftigte auch an jemanden wenden, der sich ihrer Sache annimmt. Verbindlich."

Groß: "Ich wünsche mir, dass sich noch viel mehr Kolleginnen und Kollegen in Netzwerken engagieren. Ob für das Bunte Netz oder auch für die Anliegen anderer Gruppen. Hoffentlich trägt dieser Beitrag dazu bei."

Alles Gute dafür und vielen Dank für das Gespräch!

Sie suchen weiteren Infos zum Bunten Netz oder wollen sich beteiligen? Melden Sie sich gerne unter: BuntesNetz@bnetza.de
Mastodon