Mo­bi­li­tät, Bau­en, Ge­sund­heit

Die ganze Gesellschaft wird profitieren.

Virtuelle Muster auf dunklem Hintergrund.

Die hohen Anforderungen an Datenschutz und Datensicherheit schaffen auch Vertrauen. Und das ist eine starke Währung. Die europäische Initiative GAIA-X setzt auf genau dieses Vertrauen. Im Januar 2021 hat sich die internationale gemeinnützige Organisation GAIA-X European Association for Data and Cloud AISBL (Association Internationale Sans But Lucratif) mit Sitz in Brüssel gegründet. Sie koordiniert eine internationale Allianz von derzeit über 270 Mitgliedern. Diese kommen aus der Privatwirtschaft, Verbänden und Forschungseinrichtungen. Bisher sind europäische Unternehmen und Verbraucherinnen und Verbraucher – bis auf wenige Ausnahmen – auf die Infrastruktur- und Datendienste von sogenannten Hyperscalern angewiesen. Ganz vorne mit dabei sind Amazon Web Services (AWS) und Microsoft Azure.

Die Idee, die GAIA-X zu Grunde liegt, ist so einfach wie genial: Europa schafft seinen eigenen Dienst, das heißt seine eigene Dateninfrastruktur, aber auf der Basis europäischer Werte; man könnte auch Spielregeln sagen. An erster Stelle steht die Datensouveränität. Das bedeutet die vollständige Kontrolle und Transparenz über gespeicherte und verarbeitete Daten. Wer Daten verfügbar macht, entscheidet unabhängig: Wer darf zu welchem Zweck und für wie lange darauf zugreifen und wie können die Daten genutzt werden. Die Datenverfügbarkeit hängt unmittelbar von der Datensouveränität ab: Europa ist reich an Datenbeständen. Jedoch horten oftmals die jeweiligen Dateninhaber diese Bestände. So entstehen Datensilos.

Ziel von GAIA-X ist es, eine Infrastruktur zu schaffen, auf der vertrauensvoll, sicher und transparent Daten ausgetauscht und verarbeitet werden. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie hat daher einen Förderwettbewerb gestartet. Ziel ist die Entwicklung und Umsetzung konkreter GAIA-X Anwendungsfälle mit Leuchtturmcharakter zu fördern. Die Bundesnetzagentur ist mit der Umsetzung des Förderwettbewerbs betraut. Dafür hat die Regulierungsbehörde im März 2021 eine Sonderstelle gegründet, die Tim-Jesko Gabriel leitet. "Wir betreuen den Förderwettbewerb von A bis Z: von der Skizzeneinreichung und Antragstellerberatung, über die Vergabe der Fördermittel bis hin zur Verwendungsnachweisprüfung. 130 Vorhabenskizzen wurden eingereicht, die wir unter Einbeziehung externer Gutachter geprüft haben. Nach dreitätiger Gutachtersitzung standen insgesamt 16 qualitativ hochwertige und innovative Skizzen fest, die den Mehrwert von GAIA-X besonders gut zur Geltung bringen. Elf von diesen Vorhaben konnten bereits bei der Bundesnetzagentur vollständige förmliche Förderanträge auf Zuwendung stellen. Eine zweite Bewilligungstranche mit fünf weiteren Skizzen folgt 2022 – vorbehaltlich der Antragsprüfung. Außerdem müssen ausreichend Haushaltsmittel verfügbar sein. Die Entscheidung über die Bewilligung der Förderanträge der ersten Tranche soll noch im Jahr 2021 erfolgen", sagt er. Voraussichtlich bis zum dritten Quartal 2025 wird die Bundesnetzagentur-Sonderstelle die Förderprojekte der ersten Tranche bei deren Umsetzung und Abrechnungen begleiten. Dazu gehört auch eine Erfolgskontrolle. Für die erste Bewilligungstranche hat das Bundeswirtschaftsministerium Fördermittel in Höhe von rund 122 Millionen Euro in Aussicht gestellt. Die Kosten für Begleitforschung und Organisation kommen noch dazu. Damit bleiben für jedes Vorhaben, das bereits in diesem Jahr eine Förderung erhalten kann, etwa elf Millionen Euro.

Bis hierhin klingt das alles nach vielen Zahlen und Aufwand. Was aber ist das Ziel? Was darf man erwarten von den im GAIA-X Förderwettbewerb bewilligten Projekten? Was hoffen? Auf diese Frage hat Tim-Jesko Gabriel gewartet: "Es werden ganz neue datengetriebene Geschäftsmodelle entstehen, die das Innovationspotenzial und somit die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen stärken. Eine Vielzahl von Anwendungen in allen möglichen Branchen sind denkbar, von denen nicht nur die Wirtschaft, sondern unsere Gesellschaft als Ganzes profitieren kann." Und konkret? "Zum Beispiel im Bereich Mobilität. Ein Anwendungsfall will eine Plattform für den vertrauenswürdigen Austausch von branchenspezifischen Daten und KI-Modellen schaffen, um die Digitalisierung der mittelständisch geprägten Kfz-Werkstattbranche voranzutreiben. Die Plattform kann die zielgerichtete Fehlersuche im Fahrzeug vereinfachen. Das spart Ressourcen, Zeit und Kosten bei der Reparatur. Oder nehmen wir die Baubranche. Hier kann man die Nachhaltigkeit enorm erhöhen, indem z.B. ein digitaler Zwilling des gesamten Gebäudelebenszyklus‘ geschaffen wird. So können Bestandteile von Häusern, die abgerissen werden sollen, gezielt recycelt und Ineffizienzen vermieden werden. Der gesamte Bauprozess würde optimiert, weil eine Vielzahl von potentiellen Abnehmern plötzlich Zugriff auf diese Daten hätte." Gabriel sprudelt.

Und er ist noch nicht fertig. "Für Viele vielleicht das anschaulichste Anwendungsgebiet ist der Gesundheitsbereich. Hier ist das Digitalisierungsniveau oft noch niedrig, es mangelt an Vernetzung und relevante Daten sind häufig nur lückenhaft verfügbar. Digitale Souveränität ist ein wesentliches Ziel von GAIA-X. Sie schafft die gerade für den Gesundheitssektor so wichtige Akzeptanz der Bürgerinnen und Bürger. Ohne die Sorge um die Sicherheit der eigenen sensiblen Gesundheitsdaten, könnte man diese mit einem Arzt teilen, um eine digitale Kopie bzw. einen digitalen Zwilling zu erschaffen. Die Daten des digitalen Zwillings werden durch eine KI-Anwendung gejagt. Diagnosen, Früherkennung und Prognosen, zum Beispiel über Krebsrisiken, wären so leichter und vor allem frühzeitiger möglich. Auch der Vergleich anonymisierter Patientendaten birgt ein enormes Potenzial bei der Erforschung von Krankheiten. Konkret: Stößt ein Forschungsteam auf Gemeinsamkeiten bei den untersuchten Patientinnen und Patienten, kann es schneller auf Ursachen schließen und neue Therapieansätze entwickeln."

Ohne Frage steckt ein riesiges Marktpotenzial in GAIA-X. Firmen gründen sich auf der Grundlage neuartiger Geschäftsmodelle, weil es Daten gibt, die vorher nicht in gleichem Maße verfügbar waren. Zudem: Wer sich der Kontrolle über die Daten gewiss ist, kann mit ihrer Herausgabe Geld verdienen. Hierbei ist der Förderwettbewerb als erster Schritt zu verstehen. Er soll konkrete Anwendungsfälle mit Leuchtturmcharakter hervorbringen, die den Nutzen einer souveränen Dateninfrastruktur deutlich machen.

Mehr Infos zum GAIA-X-Förderwettbewerb: www.bnetza.de/gaia-x

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