Ge­plant, be­schlos­sen, um­ge­setzt

Wie die Netzagentur dafür sorgt, dass Deutschland die Kohleverstromung beendet.

Kohleausstieg

Am 6. Juni 2018 setzte die Bundesregierung die Kommission für Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung ein, die fortan nur noch Kohlekommission genannt wurde. Denn darum ging es im Wesentlichen: Wie kommen wir raus aus der Kohle – und bis wann? Begleitet von lebendigen, teils kontrovers geführten öffentlichen Debatten ging die Kommission ans Werk und legte schließlich im Januar 2019 ihren Abschlussbericht vor. Darin ging es – natürlich – um Aspekte des Klimaschutzes, aber auch um die soziale und strukturpolitische Seite dieses einschneidenden Schrittes. Erst wenige Jahre war es her, dass die Bundesregierung den Ausstieg aus der Atomenergie beschlossen hatte; und nun folgte mit der Kohle ein weiterer riesiger Industriezweig, von dem ganze Regionen in Deutschland seit Generationen geprägt sind. Braunkohle ist in der Lausitz, im mitteldeutschen oder rheinischen Revier ein wichtiger Arbeitgeber.

Nach dem Abschlussbericht der Kommission steht nun fest, dass bis spätestens 2038 der Ausstieg aus der Kohleverstromung vollzogen sein muss. Das ist das Ziel. Auf den Beschluss folgte das Gesetz mit dem Namen Kohleverstromungsbeendigungsgesetz (KVBG). Dieses Gesetz umzusetzen ist Aufgabe der Bundesnetzagentur. Rund fünfzehn Mitarbeitende aus verschiedenen Referaten sind damit betraut. Eine von ihnen ist Anne Baguette. Der umständliche Name des Gesetzes geht ihr flüssig über die Lippen, aber sie hat einen Trick, sich die Abkürzung zu merken: "Ich wohne in Köln, wo KVB der Name der Verkehrsbetriebe ist. So bin ich immer von KVB umgeben, zu Hause und im Dienst." Humor hilft, vor allem, wenn es kompliziert wird.

Die erste Aufgabe der Netzagentur ist, die Ausschreibungen zur Reduzierung der Verstromung von Steinkohleanlagen und Braunkohle-Kleinanlagen durchzuführen. Man kann sie sich wie eine Auktion vorstellen, bei der das niedrigste Gebot den Zuschlag erhält. Das Prozedere: Kraftwerksbetreiber bieten eine Summe pro Megawatt stillzulegende Kraftwerksleistung, wobei der Höchstpreis und ein Gesamtvolumen in Megawatt für jede Ausschreibungsrunde im Gesetz festgeschrieben ist. Bei der Sortierung der Gebote hilft eine Kennziffer: Sie ergibt sich aus dem Gebotswert, geteilt durch die durchschnittlichen historischen Kohlendioxidemissionen pro Jahr der Steinkohleanlage. Also: Wieviel Kohlendioxid wurde in der Vergangenheit im Schnitt ausgestoßen und würde entsprechend in der Zukunft eingespart? Bei welchem Gebot würden für das gleiche Geld die meisten Emissionen eingespart? Diese Kennziffer führt dazu, dass manche Bieter keinen Zuschlag erhalten, obwohl sie ein niedrigeres Gebot abgegeben haben, weil andere Kohleanlagen mehr klimaschädliches CO2 in die Luft bringen. Ihren Zuschlag erhalten die Kraftwerksbetreiber als Entschädigung, sobald sie in der Anlage keine Kohle mehr verbrennen.

Der Gebotstermin für das erste Verfahren war der 1. September 2020, am 1. Dezember erteilte die Bundesnetzagentur die Zuschläge für elf kleinere und größere Kraftwerke. Das kleinste hat eine Leistung von 3,6 MW, das größte eine von 875 MW. Insgesamt lag die bezuschlagte Gebotsmenge bei 4.788 MW und war damit deutlich überzeichnet. Präsident Jochen Homann zeigte sich zufrieden angesichts der positiven Resonanz der Betreiber: "Der durchschnittliche Zuschlagswert liegt deutlich unter dem gesetzlichen Höchstpreis." Gesetzlich vorgeschrieben waren nämlich 165 000 Euro pro Megawatt als Höchstgrenze, durchschnittlich bezuschlagt wurden aber nur 66 259 Euro pro Megawatt. Die Gesamtsumme der Zuschläge beläuft sich auf 317 Millionen Euro.

Elf Kraftwerke dürfen seit dem 1. Januar 2021 keinen Kohlestrom mehr vermarkten. Das Kohleverfeuerungsverbot greift seit dem 8. Juli 2021. Nur wenn die Übertragungsnetzbetreiber und die Bundesnetzagentur ein Kraftwerk für systemrelevant halten, wird es für kritische Netzsituationen als Reserve bereitgehalten. Die Entscheidung, ob dies bei einzelnen Kraftwerken erforderlich ist, ist im ersten Halbjahr 2021 gefallen.

Anne Baguette und ihre Kolleg*innen haben viel zu tun in diesen Tagen – und das wird auch erstmal so bleiben. "Wir müssen bis spätestens 2038 alle Kohlekraftwerke vom Strommarkt bekommen." Die Betonung liegt auf alle. "Sobald ein Verfahren abgeschlossen ist, beginnt schon wieder das nächste." Baguettes Kollege Martin Wolfram präzisiert noch: "Mittlerweile liegen schon die Ergebnisse der dritten Ausschreibungsrunde für die Kraftwerke vor, die 2022 vom Markt genommen werden." Dabei ist es nicht damit getan, die Gebote zu prüfen. Parallel werden Listen erstellt: Welche Kraftwerke erbringen wieviel Leistung? Ist Kohle der Hauptenergieträger? Wie alt sind die Anlagen? Das muss genau ermittelt werden, um bestimmen zu können, wieviel Kraftwerksleistung wann den Markt verlassen soll.

Am Ende ist es ein bisschen wie bei Sotheby`s, wenn der Meistbietende das kostbare Gemälde mitnehmen darf. "Wir schreiben Bescheide, in denen die Betreiber erfahren, ob sie den Zuschlag bekommen haben oder nicht", erklärt Wolfram den finalen Teil jedes Ausschreibungsverfahrens. In den Nachrichten erfährt dann der Rest der Welt davon. Oder auf der Homepage der Bundesnetzagentur: Beendete Ausschreibungen.

Das KVBG verändert die Energielandschaft in Deutschland – und was als Gesetz auf dem Papier begonnen hat, wandelt die Bundesnetzagentur in sichtbare Fakten um.

Alles zum Thema Kohleausstieg: www.bnetza.de/kohleausstieg

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