"Ver­kauf doch im In­ter­net!"

Wenn kleine Anbieter ihr Gewerbe auf großen Plattformen abwickeln, haben sie Rechte. Die Bundesnetzagentur hilft, sie durchzusetzen.

Die Bundesnetzagentur hilft gewerblichen Nutzern gegenüber den von ihnen genutzten Online-Plattformen Fairness und Transparenz durchzusetzen

Alex möchte die in ihrer kleinen Fahrradwerkstatt „FrolleinFixie“ in Köln-Sülz produzierten, liebevoll gestalteten Ein-Gang-Fahrräder im Retro-Design im Internet verkaufen. Sie plant, auf der großen Online-Plattform „Bike3000“, bei der große und kleine Fahrradwerkstätten ihre handgemachten Fahrräder anbieten können, ihre Fahrräder zu vertreiben. Alex überlegt, einen Account einzurichten, über den ihre schicken Fixies bei Bike3000 gut auffindbar sind. Sie hat sich schon einen Preis für ihre Einzelstücke überlegt und findet es einfach und sicher, wenn sie als kleine Anbieterin ihre Abrechnung direkt über die Plattform abwickeln kann.

Doch als sie sich auf der Homepage von Bike3000 informieren will, wie sie Händlerin bei Bike3000 werden kann, wird sie stutzig. Noch bevor Alex überhaupt einsehen kann, zu welchen Bedingungen sie ihre Fahrräder verkaufen kann, muss sie bereits einen Account erstellen? Und das, obwohl sie sich doch erst einmal nur informieren wollte…

Bike3000 ist die größte und bekannteste Plattform für die Vermarktung von ausgefallenen Designfahrrädern. Da alle ihre Freunde, Mitstreiter und Konkurrenten ihre Produkte rund um die neuesten Fahrradtrends auf Bike3000 verkaufen, registriert sich Alex mit FrolleinFixie dort auch als Händlerin, ohne die Allgemeinen Geschäftsbedingungen von Bike3000 zu kennen.

Doch nun die nächste Überraschung – in den AGB liest sie, dass die Plattform ihr Konto sperren kann, wenn ihre Produkte „gegen die Werte von Bike3000“ verstoßen? Was heißt das? Und wer entscheidet darüber? An wen kann sie sich wenden, wenn tatsächlich ihr Konto gesperrt wird? Und wie entscheidet die Plattform, welche Angebote gut auffindbar sind?

Rechte für gewerbliche Nutzer bietet die Platform-to-Business-Verordnung

Alex von FrolleinFixie ist skeptisch. Zudem hat sie mehrfach in Internetforen gehört, dass Bike3000 bereits öfter Konten von Anbietern ohne Begründung gesperrt hat und es dann keine Möglichkeit gibt, mit Bike3000 Kontakt aufzunehmen. Sie zweifelt sehr, ob eine solche Plattform der richtige Marktplatz für ihre Fahrräder ist, die sie mit viel Liebe zum Detail und in Handarbeit hergestellt hat.

Was Alex bislang noch nicht wusste: hier hilft gewerblichen Nutzern die Bundesnetzagentur seit letztem Jahr mit der Durchsetzung der sogenannten Platform-to-Business-Verordnung der Europäischen Union. Diese hat das Ziel, Fairness und Transparenz für gewerbliche Nutzer von Online-Plattformen und -Suchmaschinen zu fördern. Dazu gibt die Verordnung ganz konkrete Vorgaben, die gewerblichen Nutzern wie Alex helfen:

Wenn etwa Bike3000 FrolleinFixie als gewerbliche Nutzerin kündigen will, muss FrolleinFixie mindestens 30 Tage vor Wirksamwerden der Kündigung eine Begründung für die Kündigung mitgeteilt werden.

Schon bevor sich Alex mit FrolleinFixie als gewerbliche Nutzerin bei Bike3000 registriert, müssen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen von Bike3000 für sie transparent und gut auffindbar sein. In diesen müssen dann auch die möglichen Gründe für eine Aussetzung, Einschränkung oder Beendigung des Dienstes dargelegt werden. Dies gilt beispielsweise auch bei einer nur vorübergehenden Entfernung eines Produkts.

Auch wenn Bike3000 das Konto von FrolleinFixie schließen oder den gesamten Vertrag mit einem gewerblichen Nutzer beenden möchte, gilt das Gleiche: Für eine Einschränkung, Aussetzung oder Beendigung des Dienstes bedarf es einer konkreten Begründung. Und diese Begründung darf nicht nur im Account von FrolleinFixie hinterlegt werden, sondern muss ihr auf einem dauerhaften Datenträger - beispielsweise per E-Mail - übermittelt werden. Sonst besteht die Gefahr, dass im Falle einer Sperrung des Kontos FrolleinFixie die Gründe für die Sperrung nicht erfährt und keinen Kontakt zum Kundendienst von Bike3000 aufnehmen kann.

Auch muss in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen schon vor Eröffnung eines Accounts angegeben sein, wie gewerbliche Nutzer wie FrolleinFixie Zugriff auf das interne Beschwerdemanagementsystem der Plattform erhalten und wie es funktioniert. Beschwerden müssen von Bike3000 in einem angemessenen Zeitrahmen bearbeitet und gleiche Sachverhalte gleichbehandelt werden. Zudem müssen mindestens zwei Mediatoren benannt werden, mit denen Bike3000 im Falle eines Mediationsverfahrens zusammenarbeiten würde.

Alex von FrolleinFixie hadert mit ihrer Registrierung bei Bike3000. Von einer Freundin aus Berlin, die trendige Kaffee-Thermosbecher für Fahrräder vermarktet, hat sie nun den Tipp bekommen, dass es die Möglichkeit gibt, sich bei der Bundesnetzagentur online zu beschweren und prüfen zu lassen, ob ein Online-Marktplatz wie Bike3000 die Rechte der gewerblichen Nutzer beachtet und sie über alle wichtigen Vertragsbedingungen informiert.

Hilfe durch die Bundesnetzagentur bei Verstößen gegen die Verordnung

FrolleinFixie ist kein Einzelfall. Immer wieder sperren Plattformen Angebote oder Konten von Händlern für diese ohne ersichtlichen und nachvollziehbaren Grund.

Viele Händler bleiben auch mit Vertragsschluss im Ungewissen. Dass sie gesetzliche Rechte haben, die sie vor intransparentem Verhalten der Plattformen schützen und die Bundesnetzagentur diese Rechte durchsetzt, wissen die wenigsten Händler: Die Bundesnetzagentur hat in einer von ihr beauftragten Studie festgestellt, dass eine klare Mehrheit der gewerblichen Nutzer (89 %) von der Platform-to-Business-Verordnung noch nichts gehört hat. In den meisten Fällen machen gewerbliche Nutzer keinen Gebrauch von ihren Rechten und wenn doch, blieben diese ohne behördliche Hilfe bislang meist erfolglos.

Dabei haben laut Studie der Bundesnetzagentur viele gewerbliche Nutzer Schwierigkeiten im Umgang mit den von ihnen genutzten Plattformen: 52 % sind unzufrieden und 26 % geben Probleme insbesondere in Bezug auf den Kundensupport oder Probleme mit der Aussetzung von Angeboten an. Darüber hinaus hat die Studie gezeigt, dass die gewerblichen Nutzer Missstände hinsichtlich der rechtzeitigen Information bei Änderungen der Allgemeinen Geschäftsbedingungen wahrnehmen. Zudem liest der überwiegende Teil der gewerblichen Nutzer die AGB gar nicht oder nicht vollständig – in den meisten Fällen, weil diese zu kompliziert, zu lang oder alternativlos sind und sie sich gegenüber den Plattformen ausgeliefert fühlen.

Dabei bestehen erhebliche Unterschiede zwischen Branchen und Größe der gewerblichen Nutzer – je größer das Unternehmen der gewerblichen Nutzer, desto eher sind die eigenen Rechte bekannt, die „kleinen“ Händler kennen ihre Rechte meist nicht. Und Plattformen mit handwerklichem oder kunstgewerblichem Angebot schneiden in der Bewertung durch ihre gewerblichen Nutzer in der Studie am schlechtesten ab.

Seit mehr als einem Jahr ist die Bundesnetzagentur die behördliche Anlaufstelle für gewerbliche Nutzer in Deutschland, um bei Verstößen gegen die Platform-to-Business-Verordnung gegen die betreffenden Plattformen vorzugehen. Wer sich beschweren möchte, kann dies unkompliziert über ein Online-Formular tun. Jedem Hinweis wird nachgegangen.

Wenn Verstöße gegen die Platform-to-Business-Verordnung vorliegen, kann die Bundesnetzagentur gegenüber Plattformen Maßnahmen ergreifen, um das beanstandete Verhalten abzustellen. In bestimmten Fällen kann sie Bußgelder bis zu 300.000 Euro verhängen.

Bisher zeigten sich die betroffenen Plattformen kooperativ und passten ihr Angebot an, sobald sich die Bundesnetzagentur einschaltete. Wenn sich auch Bike3000 künftig an die Vorgaben hält, wird FrolleinFixie viele ihrer schicken Fixies guten Gewissens über Bike3000 verkaufen.

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