Po­si­ti­ons­pa­pier zur Bi­lanz­kreis­be­wirt­schaf­tung

Beschlusskammer 6

Trotz der Erhöhung der finanziellen Anreize zur verbesserten Bilanzkreisbewirtschaftung im Rahmen der Bilanzkreisabrechnung durch Beschluss vom 25.10.2012 (BK6-12-024) haben bisherige Auswertungen gezeigt, dass insbesondere in Zeiten mit steilen Last- oder Erzeugungsflanken nach wie vor im Saldo des Netzregelverbunds erhebliche Stundenrampen sichtbar sind, die z.T. systemsicherheitsrelevante Auswirkungen haben und auf eine unzureichende viertelstündliche Bilanzkreisbewirtschaftung schließen lassen. Die Beschlusskammer 6 sieht hier dringenden Verbesserungsbedarf von Seiten diverser Bilanzkreisverantwortlicher. Sie hat daher in folgendem Positionspapier die Pflichten der Bilanzkreisverantwortlichen im Hinblick auf eine ordnungsgemäße viertelstündliche Bewirtschaftung ihrer Bilanzkreise konkretisiert und die Übertragungsnetzbetreiber zur gezielten Auswertung der Bilanzkreisabrechnungen auf Einhaltung dieser Pflichten und ggf. Vorlage an die Bundesnetzagentur zur Feststellung einer Prognosepflichtverletzung aufgefordert.


Positionspapier zur Wahrnehmung der Pflichten nach § 4 Abs. 2 StromNZV und Ziffer 5.2. des Standardbilanzkreisvertrages durch die Bilanzkreisverantwortlichen

Nach § 4 Abs. 2 StromNZV und Ziffer 5 des Standardbilanzkreisvertrages (BK6-06-013 v. 29.06.2011) sind die Bilanzkreisverantwortlichen verpflichtet, für eine ausgeglichene Viertelstunden-Leistungsbilanz ihrer Bilanzkreise zu sorgen. Nach Ziff. 5.2. des Standardvertrages obliegt ihnen die Verpflichtung, durch zumutbare Maßnahmen, insbesondere durch entsprechende Sorgfalt bei der Erstellung der Prognosen, die Bilanzabweichungen möglichst gering zu halten. Nach Ziff. 11.4. des Bilanzkreisvertrages können Prognosepflichtverletzungen, die von den ÜNB ermittelt und gemeldet werden, aufsichtsrechtliche Maßnahmen der Bundesnetzagentur nach sich ziehen.

Die Beschlusskammer hat mit Beschluss vom 25.10.2012 (Az. BK6-12-024) das Ausgleichsenergiepreissystem weiterentwickelt, um stärkere finanzielle Anreize für die BKV zur ausgeglichenen Bilanzkreisbewirtschaftung zu setzen.

Gleichwohl kommt es insbesondere in den Stunden mit steilen Last- oder Produktions-Flanken nach wie vor nahezu durchgängig zu erheblichen Systemungleichgewichten, die auf eine fehlende viertelstündliche Bewirtschaftung dieser Flanken zurückzuführen sind. Beispielsweise ist es am 24.12.2012 zu erheblichen Überspeisungen gekommen, die insbesondere in den Stunden 16-21 Uhr zu einer Ausschöpfung aller Reserveprodukte geführt haben. Die deutlich sichtbaren Stundenrampen haben in dieser Zeit zu einer erheblichen Verschärfung der ohnehin angespannten Situation geführt. Eine erste Auswertung hat ergeben, dass eine Vielzahl von Akteuren an diesen systemsicherheitsrelevanten Abweichungen beteiligt war, die offenbar die aus Sicht der Bundesnetzagentur und der Übertragungsnetzbetreiber erforderlichen Bilanzkreisbewirtschaftungsmaßnahmen nicht oder nur unvollkommen vorgenommen haben.

Die Bundesnetzagentur sieht hier dringenden Handlungsbedarf seitens der Bilanzkreisverantwortlichen. Gleichzeitig scheint bei verschiedenen Akteursgruppen kein oder wenig Bewusstsein über die tatsächlichen Pflichten im Rahmen der Bilanzkreisbewirtschaftung zu bestehen.

Die Beschlusskammer 6 nimmt dies zum Anlass, um folgende Klarstellungen vorzunehmen:

  • Eine ordnungsgemäße Bewirtschaftung eines Bilanzkreises mit direkt vermarkteten EEG-Mengen setzt voraus, dass der BKV insbesondere die Einspeisung fluktuierender EEG-Anlagen kurzfristig prognostiziert und Organisationsstrukturen vorhält, die es ermöglichen, sich ggf. ergebende Prognoseänderungen auch in bilanzierungsrelevante Aktivitäten umzusetzen. Hierzu gehört in der Regel ein kurzfristiges Tätigwerden am Intradaymarkt. Offenbar gibt es eine Reihe von Direktvermarktern, die insbesondere nachts und an Feiertagen keine / keine ausreichenden Aktivitäten entfalten, um Abweichungen von der Day-Ahead-Prognose auszugleichen. Dies stellt aus Sicht der Beschlusskammer eine Prognosepflichtverletzung dar.
  • Eine ordnungsgemäße Bewirtschaftung von Lastgang- / Standardlastprofilkunden setzt eine viertelstundenscharfe Beschaffungsstrategie zumindest für die Lastrampen in den Morgen- und Abendstunden voraus. Die Bewirtschaftung nur mit Stundendurchschnittsmengen stellt aus Sicht der Beschlusskammer eine Prognosepflichtverletzung dar.
  • Die Führung eines Differenzbilanzkreises setzt eine aktive Bewirtschaftung durch den jeweiligen Netzbetreiber oder einen von ihm beauftragten Dritten voraus. Prognostizierbare Abweichungen des Verbrauchsverhaltens der Standardlastprofilkunden vom zugrundeliegenden Profil, z.B. bei extremen Wetterlagen, müssen nach bestem Vermögen bilanziell nachgefahren werden. Hierzu gehört auch eine viertelstundengenaue Bewirtschaftung.
  • Im Fall eines Kraftwerksausfalls i.S.v. § 5 Abs. 4 StromNZV ist der BKV verpflichtet, nach 4 Viertelstunden Ersatz zu beschaffen. Hält er keine entsprechenden Organisationsstrukturen vor, die ihm dies ermöglichen, stellt dies nach Ansicht der Beschlusskammer eine Prognosepflichtverletzung dar.
  • In Bilanzkreisen die weder physikalische Ein- oder Ausspeisungen aufnehmen, sondern reine Handels-Bilanzkreise sind, sind Bilanzkreisabweichungen nicht zulässig. Sofern Bilanzkreisabweichungen in reinen Handelsbilanzkreisen auftreten, stellt dies nach Ansicht der Beschlusskammer eine Prognosepflichtverletzung dar.

Weitere mögliche Prognosepflichtverletzungen i.S. von Ziffer 5.1 und 5.2 des Standard Bilanzkreisvertrages werden hierdurch nicht ausgeschlossen.

Die Bundesnetzagentur fordert die Übertragungsnetzbetreiber auf, anhand der Bilanzkreisabrechnungen konkreten Verdachtsfällen nachzugehen, die Anlass zu der Vermutung geben, dass die vorgenannten Grundsätze ordnungsgemäßer Bilanzkreisbewirtschaftung nicht eingehalten werden. In diesen Fällen klärt der ÜNB zunächst mit dem BKV, ob bzw. inwiefern die Abweichungen durch den BKV vermeidbar waren. Lässt sich der Verdacht einer Pflichtverletzung nicht ausräumen, sind die relevanten ausgewerteten Daten zusammen mit einem schriftlichen Bericht über die Auswertung und die aus den Daten zu ziehenden Schlussfolgerungen der Bundesnetzagentur zur Entscheidung über die Einleitung aufsichtsrechtlicher Maßnahmen vorzulegen.

Beschlusskammer 6, Aktenzeichen: BK6-13-104
Ansprechpartner: Dr. Kathrin Thomaschki, Iris Lipp (poststelle.bk6@bnetza.de)

Positionspapier (pdf / 20 KB)

Stand: 16.09.2013

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