Mit­tei­lung Nr. 10 zum Re­dis­patch 2.0

Informationspflichten, Abschlagszahlungen an BKV und Höhe des finanziellen Ausgleichs von Anlagenbetreibern

– Beschlusskammer 6 –
– Beschlusskammer 8 –

28.11.2022 

Hintergrund 

Mit den Mitteilungen Nr. 8 und Nr. 9 hat die Bundesnetzagentur Hinweise zu einem geordneten und sicheren Übergang in den gezielten bilanziellen Ausgleich von negativen Redispatch-Maßnahmen durch den Netzbetreiber gegeben (siehe Mitteilung Nr. 8 zum Redispatch 2.0 und Mitteilung Nr. 9 zum Redispatch 2.0). Leider werden häufig negative Redispatch-Maßnahmen mit EE- und KWK-Anlagen noch nicht durch den Netzbetreiber energetisch und bilanziell ausgeglichen, sondern im Wege der Geschäftsbesorgung durch den Bilanzkreisverantwortlichen (BKV) der betroffenen Einspeisestelle, der dafür einen Aufwendungsersatz vom Netzbetreiber erhält (vgl. BDEW-Übergangslösung zum gesicherten Einstieg in den Redispatch 2.0). 

In diesem Zusammenhang ist der Bundesnetzagentur von verschiedenen Seiten berichtet worden, dass Abregelungen oft nicht rechtzeitig vom Netzbetreiber angekündigt werden und deren Adressaten teilweise sogar erst nach Beginn der Redispatch-Maßnahme erreichen. Ferner wurde an die Bundesnetzagentur herangetragen, dass sich die Zahlung des Aufwendungsersatzes an die BKV oftmals verzögere. Schließlich nimmt die Bundesnetzagentur Unsicherheiten hinsichtlich der Bestimmung des finanziellen Ausgleichs des Anlagenbetreibers nach § 13a Abs. 2 (i.V.m. § 14 Abs. 1) EnWG wahr.

Die Beschlusskammern 6 und 8 nehmen dies zum Anlass für folgende Klarstellungen:

Vorab-Unterrichtung nach § 13a Abs. 1a Satz 4 EnWG

Der Übertragungsnetzbetreiber muss den BKV gemäß § 13a Abs. 1a Satz 3 EnWG unverzüglich über den geplanten Zeitpunkt, den Umfang und die Dauer der Anpassung der Wirk- oder Blindleistungserzeugung unterrichten (Vorab-Unterrichtung). Dies gilt gemäß § 14 Abs. 1 EnWG für Verteilernetzbetreiber entsprechend. Die Vorab-Unterrichtung muss „unverzüglich“, d. h. ohne schuldhaftes Zögern erfolgen. In der Regel muss die Vorab-Unterrichtung mit ausreichend zeitlichem Vorlauf erfolgen. Nur wenn ausnahmsweise keine Planung der Maßnahme erfolgen kann – etwa weil ein nicht vorhersehbarer Störfall eingetreten ist –, kann eine Unterrichtung nach Beginn der Maßnahme noch unverzüglich sein.

Nach den mit der Festlegung BK6-20-059 festgelegten Prozessen erfolgt die Vorab-Unterrichtung im Rahmen der Abrufprozesse über den „Lieferanten“ (LF) i.S.d. der Festlegung. Soweit diese Prozesse in der Praxis noch keine Anwendung finden, hat der Netzbetreiber auf anderem Wege die Vorab-Unterrichtung durchzuführen. Die Mitteilungen der Bundesnetzagentur können und sollen nicht von der gesetzlichen Pflicht nach § 13a Abs. 1a Satz 3 (i.V.m. § 14 Abs. 1 und 1c) EnWG befreien.

Die gesetzliche Pflicht zur Vorab-Unterrichtung gilt unabhängig davon, ob der bilanzielle Ausgleich vom Netzbetreiber selbst oder (im Rahmen der BDEW-Übergangslösung) vom BKV beschafft wird. Die Beschlusskammer 6 geht auch bei einer Beschaffung durch den BKV davon aus, dass die Netzbetreiber in diesem Fall ihre Planungs- und Dimensionierungsprozesse zeitlich so durchführen, als würden sie selbst den bilanziellen Ausgleich beschaffen.

Die erfolgreiche Erfüllung der gesetzlichen Pflicht zur Vorab-Unterrichtung setzt eine Mitwirkung auf der Empfängerseite voraus. So ist es für die Vorab-Unterrichtung im Rahmen der Abrufprozesse nach der Festlegung BK6-20-059 unumgänglich, dass LF und BKV in der Lage sind, die Mitteilung zu empfangen und zu verarbeiten. Dies erfordert u. a. eine erfolgreiche Registrierung beim „Dataprovider“ (DP) sowie die Etablierung und den Test der entsprechenden Kommunikationsverbindung. Soweit die Abrufprozesse nach der Festlegung BK6-20-059 noch keine Anwendung finden, muss der BKV in anderer angemessener Weise empfangsbereit sein. Die Beschlusskammer 6 erwartet, dass sich BKV und Netzbetreiber dazu in geeigneter Weise abstimmen.

Abschlagszahlungen auf den Aufwendungsersatz an BKV

Die exakte Abrechnung des Aufwendungsersatzes zugunsten des BKV nach der BDEW-Übergangslösung erfolgt oft nicht zeitnah. Grund dafür kann sein, dass der BKV für die exakte Rechnungsstellung die Höhe der Ausfallarbeit kennen muss und der dafür vorgesehene Prozess nach der Festlegung BK6-20-059 zum Teil noch keine Anwendung findet. Die Beschlusskammer 8 hält es daher für unerlässlich, wenn der Netzbetreiber Abschläge in angemessener Höhe an den BKV zahlt. Zu diesem Zweck soll der Netzbetreiber die Ausfallarbeit möglichst präzise schätzen. Abschläge können reduziert werden, wenn die LF bzw. BKV ihren Abstimmungs- und Mitwirkungspflichten nicht nachkommen.

Finanzieller Ausgleich des Anlagenbetreibers nach § 13a Abs. 2 (i.V.m. § 14 Abs. 1, 1c) EnWG

Der finanzielle Ausgleich des Anlagenbetreibers erfolgt nach § 13a Abs. 2 (i.V.m. § 14 Abs. 1, 1c) EnWG unter Anrechnung des bilanziellen Ausgleichs nach § 13a Abs. 1a EnWG. Daraus folgt, dass bei negativem Redispatch mit EE-Anlagen in der geförderten Direktvermarktung im Wesentlichen allein die entgangene „Marktprämie“ (und nicht der „anzulegende Wert“!) als „entgangene Einnahmen“ zu ersetzen sind (§ 13a Abs. 2 Satz 3 Nr. 5 EnWG, vgl. BNetzA, Leitfaden zum Einspeisemanagement 3.0, S. 36 und 37). Dies gilt auch dann, wenn der bilanzielle Ausgleich im Rahmen der BDEW-Übergangslösung vom BKV im Rahmen einer Geschäftsbesorgung für den Netzbetreiber beschafft wird. Der Netzbetreiber hat sicherzustellen, dass es zu einer Anrechnung des bilanziellen Ausgleichs kommt.

Sofern die Marktprämie (z.B. aufgrund hoher Strompreise und dementsprechend hoher Monatsmarktwerte) sehr niedrig ausfällt oder bei Null liegt, fallen dementsprechend sehr niedrige oder keine „entgangene Einnahmen“ bei der Abregelung von EE-Anlagen in der geförderten Direktvermarktung an. In Fällen, in denen geringe oder keine Einnahmen entgehen, kann sich im Saldo auch eine Zahlungspflicht vom Anlagenbetreiber an den Netzbetreiber ergeben: Denn nach § 13a Abs. 2 Satz 4 EnWG ist der Anlagenbetreiber dazu verpflichtet, „ersparte Aufwendungen“ dem Netzbetreiber zu erstatten. Übersteigen die „ersparten Aufwendungen“ die „entgangenen Einnahmen“ (zzgl. etwaiger „zusätzlicher Aufwendungen“), erfordert der finanzielle Ausgleich, dass der Anlagenbetreiber in Summe eine Zahlung an den Netzbetreiber leistet. Angesichts der derzeit hohen Monatsmarktwerte und dementsprechend niedrigen Marktprämien, ist dies aktuell ein durchaus wahrscheinliches Szenario für viele Anlagen. Die Beschlusskammer 8 weist darauf hin, dass die Netzbetreiber verpflichtet sind, etwaige Zahlungsansprüche gegen den Anlagenbetreiber durchzusetzen.

Der finanzielle Ausgleich zwischen dem Anlagenbetreiber und dem Netzbetreiber kann auch dann erfolgen, wenn der Prozess zur Bestimmung der Ausfallarbeit nach der Festlegung BK6-20-059 noch nicht angewendet wird. Der Prozess dient in erster Linie der Bestimmung der Ausfallarbeit für den bilanziellen Ausgleich und ist keine Zahlungsvoraussetzung für den finanziellen Ausgleich nach § 13a Abs. 2 (i.V.m. § 14 Abs. 1 und 1c) EnWG. Der Netzbetreiber ist nach § 13a Abs. 1a Satz 5 (i.V.m. § 14 Abs. 1 und 1c) EnWG verpflichtet, den BKV und den Anlagenbetreiber im Anschluss an die Redispatch-Maßnahme unverzüglich über die tatsächlichen Zeitpunkte, den jeweiligen Umfang, die Dauer und die Gründe der Anpassung zu unterrichten (Ex-post-Unterrichtung).

 – Ende der Mitteilung –

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