Be­schluss­kam­mer 11

Marktabfrage zum 1. Konzentrations- oder Verteilerpunkt des öffentlichen Telekommunikationsnetzes

Die Bundesnetzagentur möchte ein möglichst umfassendes Bild von den technischen Rahmenbedingungen und den Netzarchitekturen am Markt erhalten. Daher hat sie sich, nach Eingang mehrerer entsprechender Anfragen entschieden, die Stellungnahmefrist bis zum 10. Januar 2022 zu verlängern.

Die Bundesnetzagentur hat eine Marktabfrage zu den technischen Gegebenheiten des ersten Konzentrations- oder Verteilerpunktes des öffentlichen Telekommunikationsnetzes veröffentlicht. Die Marktabfrage dient einer ersten Sondierung und Sichtung technischer Eigenschaften von Netzarchitekturen. Damit geht jedoch keine Aussage einher, ob, wann und in welchem Umfang Regulierungsmaßnahmen der Bundesnetzagentur notwendig sein könnten.

Hintergrund

Die Richtlinie (EU) 2018/1972 (im Folgenden: Kodex) sieht in Artikel 61 Befugnisse und Zuständigkeiten der nationalen Regulierungsbehörden in Bezug auf Zugang und Zusammenschaltung vor. In Abs. 3 UAbs. 1 der Norm wird dabei die Möglichkeit eines Antrags auf Zugang zu Verkabelungen und zugehörigen Einrichtungen in Gebäuden oder bis zum von der betreffenden nationalen Regulierungsbehörde festgelegten ersten Konzentrations- oder Verteilerpunkt (im Folgenden: 1. KVP) benannt. UAbs. 2 der gleichen Norm beinhaltet die Möglichkeit einer Auferlegung von Verpflichtungen über den 1. KVP hinaus.

Im deutschen Recht wird Art. 61 Abs. 3 Kodex in zwei Normen des novellierten TKG (im Folgenden: TKG2021) aufgegriffen und umgesetzt. § 149 Abs. 6 TKG2021 sieht die Möglichkeiten der Zugangsverpflichtung über den Zugang zur gebäudeinternen Netzinfrastruktur hinaus auch bis zum 1. KVP des öffentlichen Telekommunikationsnetzes außerhalb des Gebäudes vor. § 22 TKG2021 beinhaltet unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit von Festlegungen jenseits dieses Punktes.

Sollte die Bundesnetzagentur zukünftig konkrete Zugangsanfragen auf Basis dieser Zuständigkeiten zu prüfen haben, ist eine bereits im Vorfeld begonnene Befassung mit den in Deutschland gängigen Netzarchitekturen und technischen Gegebenheiten des 1. KVP sinnvoll, da diesem Punkt gemäß europäischer und nationaler Vorgaben eine wichtige Rolle zukommen kann. Mit einer solchen frühzeitigen Befassung geht jedoch keine Aussage einher, ob, wann und in welchem Umfang Entscheidungen auf Basis der neuen Zuständigkeiten der Bundesnetzagentur notwendig sein könnten.

GEREK-Leitlinien

Für die Bestimmung des 1.  KVP sind Leitlinien des Gremiums europäischer Regulierungsstellen für elektronische Kommunikation (GEREK, englisches Akronym: BEREC) von Relevanz, die in Art. 61 Abs. 3 des Kodex verwendete Begriffe näher bestimmen. Gemäß Art. 4 Abs. 4 der Verordnung (EU) 2018/1971 tragen die nationalen Regulierungsbehörden und die Kommission GEREK-Leitlinien weitestgehend Rechnung. In den vorgenannten Leitlinien sind Ausführungen und Kriterien zur Festlegung des 1. KVP enthalten. Diesen lassen sich folgende Kernaussagen entnehmen:

  • Der 1. KVP sollte möglichst endkundennah verortet sein.

  • Das Konzept des 1. KVP ist technologieneutral.

  • Es ist unerheblich, ob an dem Punkt Verkehr aggregiert wird oder Leitungen (Fasern, Doppeladern) auf größere Kabel zusammengefasst werden.

  • Die Festlegung des 1. KVP sollte unabhängig von Replizierbarkeitserwägungen erfolgen. Diese spielen erst bei der Frage eine Rolle, ob Verpflichtungen an diesem Punkt auferlegt werden.

  • Der 1. KVP ist der nächste am Endkunden gelegene Punkt, welcher

    • zugänglich ist oder ohne unverhältnismäßigen Aufwand zugänglich gemacht werden kann und insbesondere

      • eine geeignete Einrichtung („dedicated facility“) für die Konzentration oder Verteilung von Kabeln beinhaltet, wie beispielsweise ein Rangierfeld (patch field) im Keller eines Gebäudes oder in einem Verteilergehäuse an der Straße,
      • Infrastruktur beinhaltet, die ohne unverhältnismäßigen Aufwand vom Zugangsnachfrager entbündelt werden kann, was insbesondere bei Steckverbindungen der Fall ist

    • und der innerhalb eines Gebäudes liegt oder (in Richtung Netzwerk) der nächstliegende zugängliche  KVP außerhalb eines Gebäudes ist.
  • Als Beispiele benennen die Leitlinien Punkte, an denen das Feeder Segment des Netzes mit mehreren Abschluss- (oder Drop-) Segmenten verbunden ist und wo Kabel gebündelt in Upstream- oder Downstream-Richtung verteilt werden (z. B. patch fields oder PON-Splitter in Kellerräumen von Gebäuden oder im Kabelverzweiger).

Marktabfrage

Die Bundesnetzagentur bittet vor diesem Hintergrund um folgende Auskünfte:

  1. Verfügt Ihr Netz oder verfügen die von Ihnen genutzten (zusammengeschalteten) Netze über 1. KVP, welche den oben aufgezählten Kriterien der GEREK-Leitlinien entsprechen? Liegen diese innerhalb oder außerhalb von Gebäuden? Kommen aus ihrer Sicht verschiedene denkbare Zugangspunkte alternativ für die Festlegung als 1. KVP in Betracht und falls ja, warum?

  2. Wie wird dieser Punkt in Ihrem oder dem von Ihnen genutzten Netz technisch bezeichnet und welche Funktionalität beinhaltet er?

  3. Wäre dort ein Zugang zu passiven Netzinfrastrukturen i. S. v. § 3 Nr. 45 TKG2021, unbeschalteten oder beschalteten Glasfasern bzw. Kupferdoppeladern sowie anderen aktiven Produkten wie z. B. Bitstrom in Ihrem oder dem von Ihnen genutzten Netz denkbar?

  4. Wie und zu welchen Bedingungen könnte ein solcher Zugang realisiert werden?

  5. Gewähren Sie an einem solchen 1. KVP bereits Zugang und halten Sie dazu einen (Muster-)Vertrag vor? Die Behörde würde diesen im Falle einer Vorlage selbstverständlich als Betriebs- und Geschäftsgeheimnis einstufen und entsprechend behandeln (siehe Hinweis am Ende der Marktabfrage).

  6. Wie hoch wäre bzw. ist der technische und ökonomische Aufwand für eine Zugangsgewährung am 1. KVP?

  7. Wir bitten um die Übermittlung einer schematischen Darstellung/schematischer Darstellungen der Netztopologie(n), in welcher/-n die denkbaren Zugangspunkte gekennzeichnet sind. Auch diese Darstellung(en) werden als Betriebs- und Geschäftsgeheimnis eingestuft und entsprechend behandelt (siehe Hinweis am Ende der Marktabfrage), sofern Sie dies wünschen.

Diese Abfrage richtet sich in erster Linie an Netzbetreiber, kann aber auch von Diensteanbietern oder anderen Unternehmen beantwortet werden, die mit der Realisierung von Zugängen zu Netzarchitekturen befasst sind.

Stellungnahmen

Es wird gebeten, Stellungnahmen bis zum 10.01.2022 in elektronischer Form an
bk11.postfach@bnetza.de unter Verwendung des Betreffs „KVP-Abfrage“

oder an folgende Adresse auf dem Postweg

Bundesnetzagentur
Beschlusskammer 11
Postfach 8001
53105 Bonn

zu senden.

Stellungnahmen können auch unter Nutzung der geschlossenen Benutzergruppe (GBG) der Bundesnetzagentur übermittelt werden. Hinweise zur Registrierung in und Nutzung der GBG finden Sie hier: Registrierungsinformationen für die Geschlossene Benutzergruppe der Bundesnetzagentur (pdf / 17 KB) .

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