KI-Modelle mit allgemeinem Verwendungszweck/GPAI
Die KI-Verordnung definiert ein KI-Modell mit allgemeinem Verwendungszweck in Art. 3 Nr. 63 KI-Verordnung als
- "ein KI-Modell — einschließlich der Fälle, in denen ein solches KI-Modell mit einer großen Datenmenge unter umfassender Selbstüberwachung trainiert wird —,
- das eine erhebliche allgemeine Verwendbarkeit aufweist
- und in der Lage ist, unabhängig von der Art und Weise seines Inverkehrbringens ein breites Spektrum unterschiedlicher Aufgaben kompetent zu erfüllen,
und das in eine Vielzahl nachgelagerter Systeme oder Anwendungen integriert werden kann, - ausgenommen KI-Modelle, die vor ihrem Inverkehrbringen für Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten oder die Konzipierung von Prototypen eingesetzt werden".
Zusammengefasst zeichnen sich diese im englischen als „General Purpose AI“ (GPAI) bezeichneten KI-Modelle also dadurch aus, dass sie – wie ihr Name schon sagt – für verschiedene Anwendungszwecke eingesetzt werden können. Im Erwägungsgrund Nr. 97 wird dies als „allgemeine Verwendbarkeit“ und als „Fähigkeit, ein breites Spektrum unterschiedlicher Aufgaben kompetent zu erfüllen“ beschrieben. Im Gegensatz zu spezialisierten KI-Modellen wird einem GPAI-Modell nicht von vorneherein nur eine spezielle, eng abgesteckte Aufgabe während des Trainings beigebracht, z.B. das Erkennen von Produktionsfehlern an Bauteilen in einer Fertigungsstraße. Vielmehr sind diese GPAI-Modelle durch ihr Training auf sehr großen Datenmengen ohne die konkrete Vorgabe einer Aufgabe (sog. selbstüberwachtes Training) vielfältig in nachgelagerte Systeme integrierbar und einsetzbar.
"Große generative KI-Modelle sind ein typisches Beispiel für ein KI-Modell mit allgemeinem Verwendungszweck, da sie eine flexible Erzeugung von Inhalten ermöglichen, etwa in Form von Text- Audio-, Bild- oder Videoinhalten, die leicht ein breites Spektrum unterschiedlicher Aufgaben umfassen können.“ – Erwägungsgrund Nr. 99 KI-Verordnung.
Systeme, die ein GPAI-Modell integrieren und für eine Vielzahl an Zwecken eingesetzt werden können, werden entsprechend als „KI-System mit allgemeinem Verwendungszweck“ (GPAI-System) bezeichnet. Sie können für die direkte Verwendung konzipiert sein, oder wiederum in andere KI-Systeme integriert werden, inklusive Hochrisiko-KI-Systemen. Entsprechend gelten dann zusätzlich die Pflichten für KI-Systeme bzw. für Hochrisiko-KI-Systeme.
Die Regelungen der KI-Verordnung für GPAI-Modelle werden ab dem 02. August 2025 angewandt. Hierbei unterscheidet die KI-Verordnung zwischen „normalen“ GPAI-Modellen und solchen, die ein systemisches Risiko innehaben.
„normale“ GPAI-Modelle
Die oben beschriebenen Eigenschaften bezeichnen „normale" GPAI, für welche die folgenden Regelungen in der KI-Verordnung festgelegt sind:
Anbieter müssen sicherstellen, dass ihre Modelle sicher und vertrauenswürdig sind. Sind die Anbieter in Drittländern niedergelassen sind, möchten aber ein KI-Modell mit allgemeinem Verwendungszweck auf dem Unionsmarkt in Verkehr bringen, müssen sie nach Art. 54(1) KI-Verordnung vorher schriftlich einen in der Union niedergelassenen Bevollmächtigten benennen.
Insgesamt müssen Anbieter Informations- und Dokumentationspflichten nach Artikel 53 KI-Verordnung erfüllen, wie beispielsweise:
- Erstellung und Aktualisierung einer technischen Dokumentation.
- Dokumentation von Fähigkeiten und Grenzen des GPAI-Modells.
- Offenlegung einer detaillierten Zusammenfassung der Trainingsdaten.
- Strategie zum Umgang mit Urheberrechten (z. B. Schutz von Trainingsmaterial).
Teilweise Ausnahmen gibt es für KI-Modelle, die im Rahmen einer quelloffenen und freien Lizenz bereitgestellt werden. Details hierzu finden sich in Artikel 53 (2).
Die Informationen, welche in der technischen Dokumentation vorhanden sein müssen, werden in Annex XI der KI-Verordnung definiert. Auf Anfrage ist die technische Dokumentation dem Büro für Künstliche Intelligenz und den zuständigen nationalen Behörden zur Verfügung zu stellen.
Die Dokumentation über Grenzen und Fähigkeiten des GPAI-Modells soll mit dem Zweck erstellt werden, dass diese an die Anbieter von KI-Systemen weitergegeben werden kann, falls diese das Modell in ihr System integrieren. Um dieser Transparenzpflicht nachzukommen, müssen die Informationen mindestens die in Annex XII genannten Elemente enthalten.
Bezüglich dieser Punkte beabsichtigt die Kommission, entsprechende Leitlinien und Praxisleitfäden für die einzelnen Aspekte sowie ein Template für die Zusammenfassung der Trainingsdaten zu veröffentlichen.
GPAI-Modell mit systemischem Risiko
Ein GPAI-Modell besitzt ein systemisches Risiko, wenn eine der folgenden Bedingungen erfüllt ist:
a) Das GPAI-Modell weist Fähigkeiten mit hohem Wirkungsgrad auf (Art. 51 (1) a) KI-Verordnung).
oder
b) Es liegt eine entsprechende Entscheidung der Europäischen Kommission vor (Art. 51 (1) b) KI-Verordnung).
Die KI-Verordnung bezeichnet diese dann als „KI-Modell mit allgemeinem Verwendungszweck mit systemischem Risiko“. Details zur Einstufung sind in Artikel 51 KI-Verordnung definiert.
Details zu a): Ein hoher Wirkungsgrad wird vermutet, wenn der kumulative Rechenaufwand für das Training mindestens 10^25 Gleitkommaoperationen (Floating Point Operations Per Second, kurz: FLOPs) benötigt.
Details zu b): Hierzu sind laut KI-Verordnung die Kriterien aus Anhang XIII zu berücksichtigen. Diese umfassen bspw. die Anzahl der Modellparameter, die Größe und Qualität des Datensatzes oder die Anpassungsfähigkeit.
Für den Fall, dass ein GPAI-Modell die erste Bedingung erfüllt, unterliegt der Anbieter einer unverzüglichen Mitteilungspflicht (siehe Art. 52 KI-Verordnung) an die EU-Kommission.
- Erweiterung der technischen Dokumentation um die in Anhang XI Abschnitt 2 genannten Informationen,
- Evaluierung des GPAI-Modells zur Ermittlung und Minderung systemischer Risiken,
- Untersuchung und Bewertung der systemischen Risiken, sowie die Beobachtung und Dokumentation gravierender Vorfälle und deren Meldung an das KI-Büro, und
- Einführung von Maßnahmen zur Cybersicherheit sowie weitere Pflichten aus dem Art. 55 KI-Verordnung.
Guidelines
Für die Aufsicht über GPAI-Modelle ist das KI-Büro der Europäischen Kommission zuständig. Das KI-Büro sieht vor, Guidelines und Praxisleitfäden zu GPAI-Modellen vor Geltungsbeginn im August 2025 zu veröffentlichen. Diese Guidelines werden zwar nicht bindend sein, bieten aber einen wichtigen Einblick in die Interpretation und Auslegung der Regelungen aus Sicht der Europäischen Kommission.