Ein­stu­fung von NI-ICS

Die Bundesnetzagentur hat ein Hinweispapier für Anbieter von NI-ICS erstellt. Es soll als Auslegungshilfe bei der Frage dienen, welche Online-Kommunikationsdienste nach dem Telekommunikationsgesetz als NI-ICS einzustufen sind und der Regulierung in Deutschland unterfallen.

Seit Dezember 2021 sind Online-Kommunikationsdienste, wie E-Mail, Messenger, Videotelefonie und Videokonferenz als sogenannte nummernunabhängige interpersonelle Telekommunikationsdienste (engl.: number-independent interpersonal communication services; kurz: NI-ICS) in Teile der sektorspezifischen Regulierung nach dem Telekommunikationsgesetz (TKG) einbezogen. Der Gesetzgeber hat damit die Vorgaben des Europäischen Kodex für die elektronische Kommunikation (Richtlinie (EU) 2018/1972, kurz: EKEK) in nationales Recht umgesetzt. NI-ICS unterliegen seitdem verschiedenen Verpflichtungen nach dem TKG aus den Bereichen öffentliche Sicherheit, Marktbeobachtung und Verbraucherschutz. Bislang galt das TKG grundsätzlich nur für die klassischen Telekommunikationsdienste, wie Festnetz und Mobilfunk.
Die Bundesnetzagentur nimmt seither im Rahmen ihrer Zuständigkeiten Einstufungsprüfungen für Anbieter von NI-ICS vor und unterrichtet die Anbieter dieser Dienste deklaratorisch über die Einstufung sowie die hieraus folgenden Pflichten.

Inhalt des Hinweispapiers

Das Hinweispapier enthält ausführliche Auslegungshinweise für Anbieter von NI-ICS zu der Frage, wann ein Online-Kommunikationsdienst als NI-ICS einzustufen ist und welchen Verpflichtungen Anbieter von NI-ICS dann unterliegen.

Wann unterfällt ein Online-Kommunikationsdienst als NI-ICS der Regulierung in Deutschland nach dem TKG?

Online-Kommunikationsdienste unterfallen als NI-ICS der Regulierung nach dem TKG in Deutschland, wenn folgende rechtliche Voraussetzungen erfüllt sind:

Erbringung eines Online-Kommunikationsdienstes in Deutschland (§ 1 Abs. 2 TKG, Marktortprinzip)

Online-Kommunikationsdienste werden häufig länderübergreifend angeboten. Diese Dienste können auch ohne Unternehmenssitz in Deutschland der Regulierung nach dem TKG durch die Bundesnetzagentur unterfallen. Voraussetzung ist, dass der Online-Kommunikationsdienst in Deutschland erbracht wird. Davon kann grundsätzlich ausgegangen werden, wenn aussagekräftige Anhaltspunkte für eine Nutzung des Dienstes in Deutschland vorliegen. Dazu gehören etwa Informationen über registrierte Nutzer in Deutschland, ein Angebot in deutscher Sprache oder die Verfügbarkeit der App im deutschen App-Store.

Online-Kommunikationsdienst als Leistung gegenüber einem Dritten (§ 3 Nr. 1 und Nr. 24 TKG)

Betreibt ein Unternehmen oder eine Behörde eine Online-Kommunikationseinrichtung ausschließlich unternehmens- oder behördenintern zum Zwecke der eigenen Kommunikation unterfällt die Kommunikationseinrichtung nicht dem TKG, da kein marktlicher Dienst gegenüber einem Dritten erbracht wird.

Gewöhnlich bzw. in der Regel gegen Entgelt erbracht (§ 3 Nr. 24 und Nr. 61 TKG)

Ein Online-Kommunikationsdienst ist nur dann als NI-ICS einzustufen, wenn er „gewöhnlich gegen Entgelt“ bzw. „in der Regel gegen Entgelt“ erbracht wird. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) legt den Begriff der Entgeltlichkeit einer Dienstleistung weit aus. Es reicht aus, wenn die Erbringung des Kommunikationsdienstes eine wirtschaftliche Tätigkeit darstellt. Die Leistung eines Entgelts kann in einer direkten Geldleistung, aber auch anderen Formen einer wirtschaftlichen Gegenleistung bestehen. Dies ist bei NI-ICS von besonderer Bedeutung, da diese Dienste oftmals für den Endnutzer kostenfrei angeboten werden. NI-ICS finanzieren sich häufig durch Werbung oder andere Formen indirekter Finanzierungen und Quersubventionierungen durch andere im digitalen Ökosystem angebotene Dienste oder Endgeräte.

Interpersoneller und interaktiver Informationsaustausch (§ 3 Nr. 24 TKG)

Grundsätzlich muss die Kommunikation zwischen zwei oder mehreren natürlichen Personen – sowohl auf Sender- als auch Empfängerseite – stattfinden (interpersoneller Informationsaustausch). Juristische Personen können dabei von natürlichen Personen vertreten werden. Nicht erfasst ist dahingegen eine Maschine-zu-Maschine-Kommunikation oder die Kommunikation zwischen einer natürlichen Person und einer Maschine, z. B. einem Sprachassistenten oder einem Chatbot. Interaktiv ist der Informationsaustausch, wenn die Möglichkeit zur Antwort besteht.

Endlicher Teilnehmerkreis (§ 3 Nr. 24 TKG)

Der Informationsaustausch muss zwischen zwei oder mehreren, letztlich aber einer endlichen und nicht potentiell unbegrenzten Anzahl an Personen stattfinden. Rundfunkähnliche Angebote, die der öffentlichen Verbreitung von Inhalten dienen, sind dahingegen nicht als NI-ICS einzustufen. Dies gilt insbesondere für den linearen Rundfunk, Videoabrufdienste, Websites, soziale Netzwerke und Blogs.

Empfänger von dem Sender der Kommunikation bestimmt (§ 3 Nr. 24 TKG)

Der Informationsaustausch mittels eines NI-ICS ist weiter dadurch gekennzeichnet, dass die Empfänger von den Personen bestimmt werden, die die Kommunikation veranlassen oder daran beteiligt sind. Erfasst sind hier auch Fälle der Einrichtung fester Weiterleitungen bei E-Mail-Diensten.

Nummernunabhängigkeit (§ 3 Nr. 37 TKG)

Die „nummernunabhängigen“ interpersonellen Telekommunikationsdienste; kurz: NI-ICS sind abzugrenzen von den klassischen „nummerngebundenen“ Telekommunikationsdiensten (engl.: number-based interpersonal communication services; kurz: NB-ICS), wie Festnetz und Mobilfunk. Die Unterscheidung ist vor allem von Bedeutung, weil klassische Telekommunikationsdienste strengeren Vorgaben als NI-ICS unterliegen. Wesentliches Unterscheidungsmerkmal ist hierbei, ob die Dienste öffentlich zugeteilte Nummerierungsressourcen nutzen oder nicht.

Ausnahmetatbestand der „untergeordneten Nebenfunktion (§ 3 Nr. 24 TKG)

Online-Kommunikationsfunktionen, die eine interpersonelle und interaktive Telekommunikation lediglich als untrennbar mit einem anderen Dienst verbundene untergeordnete Nebenfunktion ermöglichen (engl. ancillary feature) sind ausnahmsweise nicht als NI-ICS einzustufen. Der Gesetzgeber hat die Bundesnetzagentur dazu aufgerufen, weitere Abgrenzungskriterien festzulegen. Die Bundesnetzagentur führt die Arbeiten zur weiteren Konkretisierung des Ausnahmetatbestandes fort und wird die Ergebnisse zu gegebener Zeit in Form einer Ergänzung dieses Dokuments zugänglich machen.

Öffentlich zugänglicher Telekommunikationsdienst (§ 3 Nr. 44 TKG)

Ein Online-Kommunikationsdienst ist öffentlich zugänglich, wenn dieser einem unbestimmten Personenkreis zur Verfügung steht. Das bedeutet jedoch nicht, dass eine Nutzung für „jedermann“ möglich sein muss. Auch ein Angebot an eine bestimmte Kundengruppe oder einen unbestimmbaren Kreis an potenziellen Kunden, z. B. Mitgliedern eines Vereines, stellt ein Angebot für die Öffentlichkeit dar. Gleiches gilt im Fall von Zugangsbeschränkungen, die unberechtigte Nutzer ausschließen sollen. Von einem Angebot für die Öffentlichkeit ist dann auszugehen, wenn sich das Angebot an weitere potentielle Nutzer richtet.

Welche Pflichten gelten für Anbieter von NI-ICS?

Das Hinweispapier enthält Informationen, welche rechtlichen Verpflichtungen für Anbieter von NI-ICS in Deutschland nach dem TKG gelten. Es handelt sich dabei im Wesentlichen um Verpflichtungen aus den Bereichen öffentliche Sicherheit, Marktbeobachtung und Verbraucherschutz.
Abschließend wird auf weitere Verpflichtungen nach anderen nationalen und europäischen Rechtsakten (insbesondere Datenschutz, Digital Markets Act, Digital Services Act) und das Verhältnis der unterschiedlichen Rechtsregime zueinander hingewiesen. Grundsätzlich stehen diese Verpflichtungen eigenständig neben den Verpflichtungen nach dem TKG.

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