Die Block­chain-Tech­no­lo­gie im Mit­tel­stand

Die Blockchain-Technologie kann nach Einschätzung der Bundesnetzagentur vor allem in unternehmensübergreifenden Kooperationen – wie sie im Mittelstand häufig vorzufinden sind - substanzielle Mehrwerte bieten. Dies liegt im Wesentlichen daran, dass die Technologie Transparenz und Manipulationssicherheit gewährleisten und damit Vertrauen zwischen den beteiligten Unternehmen schaffen kann.

Die Blockchain-Technologie ermöglicht vor allem, Transaktionen zwischen verschiedenen Akteuren direkt, transparent und manipulationssicher durchzuführen und einzelne Geschäftsprozesse auf Basis von Smart Contracts automatisiert abzuwickeln. Aufgrund dieser Eigenschaften bietet die Technologie branchenübergreifend sowohl für mittelständische als auch für Großunternehmen eine Vielzahl von Potenzialen. Dies zeigt sich daran, dass seit einigen Jahren in Deutschland, aber auch weltweit in ganz unterschiedlichen Wirtschaftssektoren konzeptionelle Überlegungen zum Einsatz der Technologie erarbeitet und zahlreiche Blockchain-Anwendungen erprobt und eingesetzt werden.

Das Marktforschungsinstitut Tractica geht bis zum Jahr 2025 von einem weltweiten Marktvolumen von ca. 20 Mrd. US-Dollar durch Distributed-Ledger-Technologien wie der Blockchain aus. Nach einer Analyse von MarktesandMarkets könnte das Blockchain-Marktvolumen im Jahr 2025 sogar auf knapp 40 Mrd. US-Dollar ansteigen. Auch wenn solche Prognosen aufgrund der zahlreichen zu treffenden Annahmen und der vielfältigen technologischen Entwicklungen im Bereich der Blockchain-Technologie natürlich mit großen Unsicherheiten behaftet sind, so zeigen sie dennoch die hohen Erwartungen, die auch international an die Blockchain-Technologie gestellt werden.

Aus diesem Grund investieren Unternehmen bereits seit einigen Jahren große Summen in die Entwicklung von Distributed-Ledger-Technologien bzw. Blockchain-Lösungen. Gemäß einer Veröffentlichung der International Data Corporation wurden im Jahr 2019 weltweit 2,7 Mrd. US-Dollar und im Jahr 2020 ca. 4 Mrd. US-Dollar in DLT-Anwendungen investiert. In den kommenden Jahren wird mit einem deutlichen Anstieg dieser Investitionen auf bis zu 18 Mrd. US-Dollar gerechnet.

Auch in Deutschland hat sich ein umfangreiches Ökosystem im Bereich der Distributed-Ledger-Technologien entwickelt. Mittlerweile existieren in Deutschland mehr als 120 Start-Ups, die sich mit Distributed-Ledger-Technologien bzw. der Blockchain-Technologie beschäftigen. Auch in Großunternehmen hat sich in den vergangenen Jahren das Interesse an Blockchain-Fachkräften deutlich erhöht. Um den steigenden Bedarf an entsprechend ausgebildeten Mitarbeitern zu decken, wird sowohl in der Ausbildung als auch in der Wirtschaft ein hoher Wissensaufbau betrieben. So ist mittlerweile zum Beispiel ein Master-Blockchain- bzw. DLT-Studiengang an der Hochschule Mittweida geschaffen worden. Einrichtungen wie das Blockchain-Labor des Fraunhofer Instituts für Angewandte Informationstechnik FIT fördern den Übergang von Forschungsergebnissen in die Wirtschaft. Verschiedene Veröffentlichungen und Initiativen (zum Beispiel der im Jahr 2021 initiierte Blockchain-Fachdialog des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz) zeigen, dass zunehmend auch die Potenziale der Blockchain-Technologie für die mittelständische Wirtschaft in den Fokus des Interesses rücken.

Potenziale der Blockchain-Technologie im Mittelstand

Die Blockchain-Technologie kann nach Einschätzung der Bundesnetzagentur vor allem in unternehmensübergreifenden Kooperationen – wie sie im Mittelstand häufig vorzufinden sind - substanzielle Mehrwerte bieten. Dies liegt im Wesentlichen daran, dass die Technologie Transparenz und Manipulationssicherheit gewährleisten und damit Vertrauen zwischen den beteiligten Unternehmen schaffen kann. Insbesondere in unternehmensübergreifenden Kooperationen könnte die Datensouveränität der beteiligten Unternehmen erhöht werden, weil der Datenaustausch jederzeit sicher abgewickelt, transparent nachgehalten und dadurch überprüfbar gemacht werden kann. Auf Basis von Smart Contracts können außerdem einzelne Geschäftsprozesse zwischen den beteiligten Unternehmen direkt, automatisiert und mit einer hohen Prozessintegrität abgewickelt werden. Transaktionskosten können so möglicherweise gesenkt und Wertschöpfungsketten insgesamt effizienter organisiert werden. Die Blockchain-Technologie könnte damit perspektivisch auch einen Beitrag dazu leisten, die internationale Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Mittelstands zu stärken.

Potenziale der Blockchain-Technologie im Branchenvergleich

Nach Einschätzung der Bundesnetzagentur sind pauschale Aussagen darüber, in welchen Unternehmensbereichen bzw. in welchen Branchen sich die Blockchain-Technologie besonders eignet, schwierig. Aufgrund ihrer oben genannten Eigenschaften bietet die Blockchain-Technologie grundsätzlich branchenübergreifend eine Vielzahl von Potenzialen. Gemäß der Bitkom-Studie „Blockchain in Deutschland – Einsatz, Potenziale, Herausforderungen“ aus dem Jahr 2019 setzt sich mehr als die Hälfte der im Rahmen der Studie befragten Unternehmen ab 50 Mitarbeitern unternehmensintern in den Bereichen Buchhaltung, Finanzen und Controlling mit der Blockchain-Technologie auseinander. Etwas mehr als ein Drittel der Unternehmen beschäftigt sich außerdem in den Bereichen Logistik-, Lager- und Versandprozesse mit der Blockchain-Technologie.

Im Branchenvergleich setzen gemäß einer Anfang 2021 veröffentlichten Studie der Andersch AG vor allem Unternehmen aus der Logistik und der Konsumgüterindustrie die Blockchain-Technologie bereits ein. Darüber hinaus entstehen insbesondere in der Automobilindustrie, in der Energiewirtschaft und im Maschinenbau zunehmend innovative Blockchain-Anwendungen.

Denkbare neue Blockchain-Geschäftsmodelle im Mittelstand

In der Literatur werden eine Reihe von potenziellen neuen blockchainbasierten Geschäftsmodellen für mittelständische Unternehmen aufgezeigt. Denkbar erscheint zum Beispiel, dass die Blockchain-Technologie zukünftig Abrechnungsprozesse zwischen über das Internet der Dinge (IoT) autonom miteinander agierenden Maschinen abwickelt oder dass mit IoT-Sensoren ausgestattete Maschinen in der Industrie 4.0 zukünftig über eine Blockchain-Lösung im Rahmen sog. Pay-per-use-Geschäftsmodelle nach der Häufigkeit der Nutzung bzw. ihrer Nutzungsdauer abgerechnet werden. Die Blockchain-Technologie könnte zukünftig außerdem als sicheres Zugangs- und Berechtigungssystem für Cloud-Anwendungen eingesetzt werden.
Im Logistiksektor wird die Blockchain-Technologie vermutlich in erheblichem Maße zur Digitalisierung der bisher größtenteils manuell und auf Papier ausgestellten Frachtbriefe beitragen können. Außerdem können grenzüberschreitende Warenströme transparent und für Behörden wie den Zoll nachvollziehbar dargestellt werden. Die transparente Rückverfolgung und Dokumentation von Lieferprozessen und Produktionsschritten kann zudem der Qualitätssicherung dienen und auch dem Verbraucher Sicherheit über die Herkunft und den Herstellungsprozess von Produkten geben (vgl. zu diesen Ausführungen die oben genannte Bitkom-Studie „Blockchain in Deutschland – Einsatz, Potenziale, Herausforderungen).

Herausforderungen der Blockchain-Technologie für mittelständische Unternehmen

Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die allgemeinen Herausforderungen, die mit dem Einsatz der Blockchain-Technologie verbunden sind, auch beim Einsatz in mittelständischen Unternehmen bestehen. Dazu gehören vor allem die Einhaltung von Datenschutzanforderungen, die Erhöhung der Transaktionsgeschwindigkeit, die sichere Einbindung externer Datenschnittstellen in Blockchains sowie die dauerhafte Gewährleistung der IT-Sicherheit von Blockchain-Architekturen. Ein grundsätzliches und nicht zu unterschätzendes Hemmnis für den verbreiteten Einsatz der Blockchain-Technologie im Mittelstand dürfte außerdem die häufig noch fehlende Interoperabilität bzw. Standardisierung sowohl zwischen einzelnen Blockchain-Architekturen als auch zwischen Blockchains und bestehenden Prozesse und Systemen sein.

Spezifische Herausforderungen für den Einsatz der Blockchain-Technologie im Mittelstand dürften in erster Linie daraus resultieren, dass die Technologie komplex ist und einen bereits relativ hohen Digitalisierungsgrad der Unternehmen voraussetzt. Mittelständische Unternehmen befinden sich jedoch häufig noch am Anfang ihres Digitalisierungsprozesses und haben vermutlich noch kein umfassendes Blockchain-Know-How aufgebaut. Um erste praktische Erfahrungen mit der Blockchain-Technologie zu sammeln, erscheint es für kleine und mittlere Unternehmen sinnvoll, zunächst auf sog. Blockchain-as-a-Service-Dienste wie sie von IT-Dienstleistern wie Amazon, IBM oder SAP angeboten werden, zurückzugreifen. Solche Dienste können insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen Vorteile bieten, weil sie relativ wenig eigenes Blockchain-Know-How erfordern, schnell zu implementieren sind und ihr Einsatz mit geringeren Investitionsrisiken verbunden sein dürfte als unternehmenseigene Entwicklungen von Blockchain-Lösungen.

Denkbar erscheint außerdem, dass insbesondere in unternehmensübergreifenden Blockchain-Kooperationen der Aufwand für die Organisation der Zusammenarbeit der Unternehmen eine besondere Herausforderung darstellt. Dies betrifft zum Beispiel die gemeinsame Entwicklung einer konkreten Blockchain-Architektur, die Bestimmung der jeweiligen Rechte und Aufgaben der Kooperationspartner sowie Finanzierungsfragen beim Aufbau, beim Betrieb und bei der Weiterentwicklung der Blockchain-Lösung.

Inwiefern die digitale Souveränität der an einer Unternehmenskooperation beteiligten Unternehmen tatsächlich auch in der unternehmerischen Praxis durch den Einsatz der Blockchain-Technologie erhöht werden kann, dürfte außerdem stark von der konkreten Blockchain-Architektur bzw. der konkreten Blockchain-Governance abhängen. Vermutlich werden sich unterschiedliche stark ausgeprägte Verhandlungspositionen der jeweiligen Kooperationspartner auch in der jeweiligen Blockchain-Governance widerspiegeln. Insofern ist davon auszugehen, dass insbesondere größere Unternehmen zukünftig Druck auf ihre mittelständischen Kooperationspartner ausüben werden, ihre Blockchain-Architekturen einzusetzen, die vor allem auf die Durchsetzung ihrer eigenen Interessen ausgerichtet sind. Damit könnten insbesondere für kleinere mittelständische Unternehmen neue Abhängigkeiten durch Lock-in Effekte entstehen.

Fazit

Die Blockchain-Technologie kann auch für mittelständische Unternehmen bedeutende Mehrwerte bieten. Sie besitzt das Potenzial, im Zuge der weiteren digitalen Transformation zu einem wichtigen Instrument zu werden, das insbesondere in Unternehmenskooperationen Transparenz und Manipulationssicherheit gewährleisten und damit Vertrauen zwischen den beteiligten Akteuren schaffen kann. Auf Basis von Smart Contracts könnten außerdem unternehmensübergreifende Geschäftsprozesse automatisiert werden, sodass Wertschöpfungsketten effizienter organisiert und die Wettbewerbsfähigkeit mittelständischer Unternehmen mittelfristig gestärkt werden könnte.

Wie in allen anderen potenziellen Einsatzgebieten der Blockchain-Technologie sind pauschale Aussagen über die Sinnhaftigkeit ihres Einsatzes auch im Mittelstand nicht zielführend. Ob ihr Einsatz sinnvoll ist, sollte stets im jeweiligen Einzelfall analysiert werden. Erste Anknüpfungspunkte dazu können Leitfäden bzw. Checklisten bieten, wie sie im abrufbaren Einführungsdokument der Bundesnetzagentur zur Blockchain-Technologie beispielhaft erläutert werden. Blockchain-as-a-Service-Dienste wie sie bereits vor allem von großen IT-Dienstleitern angeboten werden, können vor allem für kleinere und mittlere Unternehmen ein guter Einstieg sein, um ohne größere Eigeninvestitionen und ohne den Aufbau von umfassendem Blockchain-Know-How erste Erfahrungen mit der Technologie zu sammeln.

Die Blockchain-Technologie sollte außerdem stets im breiten Kontext der Digitalisierung betrachtet werden. Aus diversen Gesprächen der Bundesnetzagentur mit verschiedenen Blockchain-Akteuren wurde deutlich, dass Unternehmen heute häufig nicht mehr in erster Linie versuchen, innovative Geschäftsmodelle oder Anwendungen ausschließlich auf Basis der Blockchain-Technologie zu entwickeln. Stattdessen wird die Blockchain-Technologie mittlerweile vor allem in den Teilprozessen eingesetzt, in denen sie konkrete Mehrwerte verspricht. Die größten Wertschöpfungspotenziale entstehen deshalb vermutlich vor allem durch die sinnvolle Verknüpfung verschiedener digitaler Technologien wie Blockchain, Künstliche Intelligenz, Data-Analytics oder Cloud-Computing.

Verschiedene Studien zeigen, dass sich insbesondere Großunternehmen intensiv mit den Potenzialen und Herausforderungen innovativer digitaler Technologien und Trends auseinandersetzen. Für kleine und mittlere Unternehmen, deren Digitalisierungsprozess häufig noch weniger fortgeschritten ist und die im Vergleich zu größeren Unternehmen vermutlich häufig auch weniger Ressourcen zur Verfügung haben, um sich mit diesen Entwicklungen zu beschäftigen, kann im Zuge der Digitalisierung die Gefahr bestehen, bei wichtigen Entwicklungen den Anschluss zu verlieren und möglicherweise deshalb in neue Abhängigkeiten von größeren Unternehmen oder IT-Dienstleistern zu geraten.

Für mittelständische Unternehmen erscheint es deshalb ratsam, wichtige digitale Trends und Entwicklungen aufmerksam zu verfolgen und eine ausgeprägte Innovationsbereitschaft zu entwickeln bzw. zu erhalten. Von staatlicher Seite könnte es in diesem Zusammenhang sinnvoll sein, (auch weiterhin) gezielt konkrete Blockchain-Projekte und Reallabore im Mittelstand zu fördern, damit mittelständische Unternehmen Erfahrungen im Umgang mit der Blockchain-Technologie sammeln können. Auch die Mittelstand 4.0 Kompetenzzentren können vermutlich einen wichtigen Beitrag leisten, um das Verständnis der Blockchain-Technologie und die Bereitschaft für ihren Einsatz in kleineren und mittleren Unternehmen zu erhöhen.

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