Min­de­rung von Tras­senent­gel­ten

Ergebnisse der Anhörungen der Bundesnetzagentur in den Regionalbereichen der DB Netz AG

Die Bundesnetzagentur hat im Jahr 2010 mehrere Anhörungen durchgeführt, die die Regelungen zur Minderung von Trassenentgelten zum Gegenstand hatten. Die insgesamt sechs Termine fanden zwischen April und Oktober 2010 in den Regionalbereichen der DB Netz AG statt.

Hintergrund ist der Bescheid der Bundesnetzagentur vom 06.04.2009. Damit wurde die DB Netz AG verpflichtet, ihren Kunden im Fall von Minderleistungen von sich aus geringere Entgelte zu berechnen und ihre Schienennetz-Benutzungsbedingungen entsprechend den rechtlichen Vorgaben der Regulierungsbehörde anzupassen. Seit dem Netzfahrplanwechsel im Dezember 2009 gelten nunmehr erweiterte Minderungsregelungen. Um die Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU) in das Verfahren einzubinden und ihnen die Möglichkeit zu geben, von ihren Erfahrungen und Schwierigkeiten zu berichten, wurde die Durchführung von Anhörungen in den Regionalbereichen der DB Netz AG angeordnet (Auskunftsbescheid vom 10.12.2009).

Die Bundesnetzagentur dankt der DB Netz AG und allen teilnehmenden Zugangsberechtigten für ihre engagierte Mitarbeit. Gleichzeitig war aus dem Teilnehmerkreis der Wunsch geäußert worden, über die Resultate der Anhörung sowie die weiteren Schritte der Bundesnetzagentur informiert zu werden. Dieser Bitte kommt die Bundesnetzagentur gerne nach.

Ergebnisse

Aus den Rückmeldungen der EVU einschließlich einiger SPNV-Aufgabenträger ergibt sich grundsätzlich ein positives Bild von den erweiterten Minderungsregelungen. Besonders zufrieden zeigen sich viele mit der Einführung einer automatischen Minderung ohne ausdrückliches Minderungsverlangen, die früher fehlte.

Zahlreiche Eisenbahnverkehrsunternehmen gaben an, dass es nach der Umstellung im Dezember 2009 häufiger zu Fehlkodierungen durch die Fahrdienstleiter gekommen sei. Im Laufe der Zeit habe sich jedoch die Fehlerhäufigkeit verringert, sodass mittlerweile nur noch selten Umkodierungsanträge gestellt werden müssten. Aufgrund der aufwändigen nachträglichen Prüfung der Störungsfälle anhand der Trassenabrechnung zeigte sich, dass viele EVU auf tagesaktuelle Informationen über die Betriebsqualität ihrer Züge Wert legen.

Angesprochen auf die Höhe der Minderung stellten zahlreiche Teilnehmer einen Bezug zu den ihnen entstehenden Folgekosten durch Störungen her. Häufig erwähnt wurde, dass eine Verspätung im SPNV zu Fahrgastentschädigungen und Strafzahlungen an die Aufgabenträger führe. Die Aufgabenträger indes monierten, dass sie die Trassenentgelte indirekt überwiegend selbst trügen und somit stärker in die Prozesse eingebunden werden müssten. Gleichwohl ist auch mit in Betracht zu ziehen, dass aufgrund der vielen vorhandenen Aufgabenträger zahlreiche unterschiedlich ausgestaltete Verkehrsverträge vorhanden sind. Die Minderung ist zur Abbildung einer mängelbehafteten Leistung des Betreibers der Schienenwege gedacht, nicht zur Kompensation von Folgeschäden.

Die Bagatellgrenzen von 6 Minuten (Personenverkehr und Güterverkehrs-Expresstrassen) sowie 31 Minuten (sonstiger Güterverkehr) konnten von den EVU nicht einheitlich befürwortet oder abgelehnt werden. Es gebe einige Züge, die weniger zeitkritisch seien, während eine Verspätung bei anderen Zügen wiederum gravierende Folgen habe. Hinsichtlich der Kappungsgrenze von maximal 50 % des Trassenentgelts gab es kaum kritische Stimmen.

Mehrfach beanstandet wurde dagegen die Tatsache, dass die Übertragung der netzbedingten Verspätung eines anderen EVU auf den Zug des eigenen EVU als Zugfolgeverspätung nicht minderungsrelevant sei. Dabei wurde auch zur Kenntnis genommen, dass die Verfolgung und Berücksichtigung von Zugfolgeverspätungen im komplexen Netzbetrieb einen erheblichen Aufwand verursachen würde. Im Rahmen der Minderung ohne Anforderung erscheint eine Berücksichtigung derartiger Verspätungen daher kaum zielführend. Gleichwohl muss in Einzelfällen erwogen werden, ob auch die isolierbaren Effekte von netzbedingten Verspätungen auf nachfolgende Züge oder den weiteren Zuglauf berücksichtigt werden können.

Alle Teilnehmer sahen Verspätungen als geeignetes Kriterium für die Gewährung einer Minderung an. Forderungen nach Aufnahme zusätzlicher Kriterien wurden nicht vorgebracht. Nur vereinzelt gab es Kritik daran, dass die Verspätungen vom Fahrdienstleiter der DB Netz AG eingetragen und einkategorisiert werden. Ebenfalls nur vereinzelt wurde das Verfahren zur Bearbeitung der Umkodierungsanträge beanstandet. Naheliegend ist, dass die zurückhaltende Kritik auf mangelnde Alternativen zu den gewählten Verfahrensweisen zurückzuführen ist.

Die Änderung der Liste mit den Verspätungsursachen (Ril 420.9001) zum 12.12.2010 hat jedoch zum Teil zu Irritationen geführt. Es gab Zweifel, ob alle früheren Kodierungen, die im Verschuldungsbereich der DB Netz AG lagen, künftig auch enthalten sein würden. Die Fragen der Zugangsberechtigten bezogen sich auch auf witterungsbedingte Störungen, die seitdem im neutralen Bereich (keine Verantwortung einer Partei) liegen. Ob die Änderung der Richtlinie einer Anpassung an internationale Normen geschuldet ist, ist Gegenstand weiterer regulierungsbehördlicher Ermittlungen.

Sehr stark in der Diskussion war die Organisation von Baustellen durch die DB Netz AG. Der Grundsatz, dass vorab bekannte Baumaßnahmen nicht zu einer Minderung führen, sondern nur eine Überschreitung der Bauzeit oder die kurzfristig Einrichtung von Baustellen, wurde teilweise kritisiert. Es stellte sich in diesem Zusammenhang heraus, dass sich einige EVU nicht ausreichend in die Bauplanung eingebunden fühlen. Oft richteten sich Dauer und zeitliche Lage von Sperrungen nach Aussage dieser EVU vornehmlich nach den Interessen der DB Netz AG. Letztere verwies auf die jüngsten Vereinbarungen zum Thema „Fahren und Bauen“, durch die die Einbeziehung der Zugangsberechtigten klarer strukturiert worden sei. Hierzu ist festzustellen, dass sich aus dem Wortlaut von § 9 Abs. 2 EIBV die Pflicht für Eisenbahninfrastrukturbetreiber ergibt, bei der Instandhaltung der Schienenwege die Interessen der Zugangsberechtigten nicht mehr als notwendig zu beeinträchtigen. Ob dies im Einzelfall hinreichend geschehen ist, kann behördlich überprüft werden.

Weiteres Vorgehen

Nach Ansicht der Bundesnetzagentur hat der bisherige Erfahrungsaustausch gezeigt, dass die neuen Regelungen zur Minderung ohne Minderungsverlangen von den Marktteilnehmern insgesamt positiv aufgenommen werden, wenngleich noch mögliche Schwachpunkte vorhanden zu sein scheinen. Die nächsten Schritte der Bundesnetzagentur werden sich auch an dem in den Anhörungen geschaffenen Meinungsbild orientieren. So lässt sich beispielsweise erkennen, dass die Kappung der Minderung auf 50 % keine gravierenden Nachteile für die Nutzer der Schienenwege mit sich bringt, da davon meist nur kurze, günstige Trassen betroffen sind. Währenddessen muss etwa das Thema witterungsbedingte Störungen – das ohnehin nach den teilweise sehr massiven Netzeinschränkungen im Dezember 2010 verstärkt im Brennpunkt steht – weiter erörtert werden. Auch die Frage der generellen Höhe der Minderungsleistungen erscheint für den Eisenbahnverkehrsmarkt von besonderer Bedeutung.

Die Bundesnetzagentur plant, das Verfahren mit der DB Netz AG fortzuführen und die Fortentwicklung der Minderungsregelungen aktiv zu begleiten. In Folgegesprächen sollen die möglichen Schwachpunkte mit dem Unternehmen erörtert und Lösungswege erarbeitet werden. Eine Entscheidung über den Widerspruch der DB Netz AG gegen den Bescheid vom 06.04.2009 steht momentan noch aus.

Aus Anlass möglicherweise noch bestehender Unklarheiten zur Minderung bei witterungsbedingten Störungen weist die Bundesnetzagentur auf die Möglichkeit der sogenannten Minderung auf Verlangen hin. Diese ergibt sich aus Ziffer 6.2.3.7.5 der Schienenetz-Benutzungsbedingungen (SNB) der DB Netz AG und begründet einen Anspruch der Zugangsberechtigten auf Minderung auch dann, wenn der Mangel auf dem Zustand des Schienenwegs, der zugehörigen Steuerungs- und Sicherungssysteme sowie der zugehörigen Anlagen zur streckenbezogenen Versorgung mit Fahrstrom beruht, aber nicht direkt einer minderungsrelevanten Störungsursache zugeordnet wurde. Das heißt, auch für eine aufgrund außergewöhnlicher Witterungsverhältnisse ursprünglich im neutralen Bereich erfasste Störung kann eine Minderung gewährt werden, wenn sie zu einer Einschränkung der Infrastrukturverfügbarkeit geführt hat.

Stand: 07.04.2011

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