FttH/B-Aus­bau – Fra­gen der Ent­gelt­re­gu­lie­rung

Bereits im März 2017 - und damit sehr frühzeitig - stieß die Bundesnetzagentur mit der Konsultation "Fragen der Entgeltregulierung bei FttH/B-basierten Vorleistungsprodukten mit Blick auf den Ausbau hochleistungsfähiger Glasfaserinfrastrukturen" einen umfassenden Diskussionsprozess zur künftigen Glasfaserregulierung unter Beteiligung aller interessierten Kreise an. Ziel war die Entwicklung eines Ansatzes für eine sowohl investitions- als auch wettbewerbsorientierte Ausgestaltung der Regulierung. Hierzu war es erforderlich, alternative Ausgestaltungsansätze der Entgeltregulierung von Glasfaseranschlussnetzen einander gegenüberzustellen und diese in einem ergebnisoffenen Verfahren mit allen relevanten Akteuren zu diskutieren.

Vor diesem Hintergrund war insbesondere die Frage zentral, wie die Regulierung dazu beitragen kann, den beim FttH/B-Ausbau erhöhten Unsicherheiten durch die Gewährung größerer Freiheitsgrade bei gleichzeitiger Sicherung der erreichten Wettbewerbsintensität angemessen Rechnung zu tragen. Durch die öffentliche Anhörung sollten Transparenz und Vorhersehbarkeit des Regulierungshandelns gestärkt und aktiv Impulse zu einer Weiterentwicklung der Regulierungsansätze gegeben werden.

Die insgesamt 17 eingegangenen Stellungnahmen bildeten in einem frühen Stadium einen Ausgangspunkt für weitere Diskussionen im Markt und innerhalb der Bundesnetzagentur. In den Stellungnahmen wurde weit überwiegend die Grundidee gestützt, bei Glasfaseranschlussnetzen die Zugangsentgelte anhand des Nachbildbarkeitsansatzes und nicht auf Basis der Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung (KeL) zu bestimmen.

Zusammenfassung der Stellungnahmen zur Konsultation (pdf / 546 KB)

1&1 Telecom GmbH (PDF / 6 MB)
ANGA Verband Deutscher Kabelnetzbetreiber e.V. (pdf / 214 KB)
BT (Germany) GmbH & Co. oHG (pdf / 870 KB)
Bundesverband Breitbandkommunikation (BREKO e.V.) (pdf / 596 KB)
Bundesverband Glasfaseranschluss e.V. (BUGLAS) (pdf / 246 KB)
Deutsche Glasfaser Unternehmensgruppe (pdf / 541 KB)
Deutsche Telekom AG (pdf / 247 KB)
EWE TEL GmbH (pdf / 3 MB)
FTTH Council (pdf / 700 KB)
Huawei Technologies Deutschland GmbH (pdf / 701 KB)
M-net Telekommunikations GmbH (pdf / 292 KB)
Dr. August Ortmeyer (pdf / 31 KB)
QSC AG (PDF / 6 MB)
Telefónica Germany GmbH & Co. OHG (PDF / 5 MB)
Unitymedia GmbH (pdf / 136 KB)
Verband der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten (VATM) (pdf / 206 KB)
Vodafone Kabel Deutschland GmbH (pdf / 180 KB)

Konsultationsdokument zu Fragen der Entgeltregulierung FttH/B (pdf / 936 KB)

Grundlagen im europäischen und nationalen Rechtsrahmen

In Bezug auf die Entgeltregulierung entwickelte sich zunächst der europäische und darauf aufbauend auch der nationale Rechtsrahmen in einer Weise weiter, die zunehmend Spielräume zugunsten von mehr Freiheitsgraden bei der Regulierung von glasfaserbasierten Anschlussnetzen zuließ. Bereits 2013 hatte die Nichtdiskriminierungs- und Kostenrechnungsmethoden-Empfehlung der EU-Kommission Bedingungen formuliert, unter denen Zugangsnetze der nächsten Generation (NGA) weniger streng reguliert werden können als kupferbasierte Vorleistungen. Demnach soll von einer Entgeltregulierung von NGA-Vorleistungen abgesehen werden, wenn dem marktbeherrschenden Unternehmen Nichtdiskriminierungsverpflichtungen insbesondere in Bezug auf die technische und wirtschaftliche Replizierbarkeit auferlegt werden; darüber hinaus muss eine nachweisbare Preisdämpfung auf Endkundenebene vorliegen (Nr. 48, 49 Nichtdiskriminierungs- und Kostenrechnungsmethoden-Empfehlung).

Diese Bedingungen für ein mögliches Absehen von strikten Preiskontrollverpflichtungen wurden im Dezember 2018 auch in Art. 74 des Europäischen Kodex für die elektronische Kommunikation (EKEK) formuliert und zu Dezember 2021 im § 38 Abs. 2 Satz 1 des novellierten Telekommunikationsgesetzes (TKG) umgesetzt.

Meilensteine auf dem Weg zur neuen Regulierung

Im Mai 2019 veröffentlichte die Bundesnetzagentur den Entwurf der Marktanalyse für den lokalen Vorleistungsmarkt. Darin wird die Telekom als marktmächtiges Unternehmen identifiziert, wobei sich ihre Preissetzungsspielräume zwischen (überwiegend) kupferbasierten und glasfaserbasierten Produkten unterscheiden – ungeachtet dessen, dass diese Produkte Bestandteil eines Marktes sind. Dieses Ergebnis eröffnete die Möglichkeit für eine differenzierte Vorgehensweise auf Ebene der Abhilfemaßnahmen.

Parallel dazu leitete die Bundesnetzagentur ein Verfahren zur Überprüfung der Abhilfemaßnahmen auf dem lokalen Zugangsmarkt betreffend die Telekom ein (Regulierungsverfügung). Unmittelbar nach der nationalen Konsultation des Festlegungsentwurfs hat die Bundesnetzagentur außerdem im Juli 2019 Eck- und Diskussionspunkte für eine zukünftige Regulierung des Zugangs zum Kupfer- und Glasfaseranschlussnetz veröffentlicht und in einer öffentlichen Anhörung mit der betroffenen Telekom und den interessierten Parteien erörtert.

Regulierungsverfügung für Markt Nr. 1 "Vorleistungsmarkt für den an festen Standorten lokal bereitgestellten Zugang" (Märkte-Empfehlung 2020)

Der umfangreiche Diskussionsprozess, der – jenseits des konkreten Beschlusskammerverfahrens – mit der Konsultation von 2017 begonnen hatte, ist am 21. Juli 2022 durch die neue Regulierungsverfügung, die auf der finalen Marktfestlegung vom 11. Oktober 2019 aufsetzt, abgeschlossen worden.
Dort werden zentrale Fragestellungen der Diskussion einer vorläufig abschließenden Bewertung zugeführt:

  • Die neuen Glasfaseranschlussnetze werden nicht mit gleicher Intensität reguliert wie das aus dem ehemaligen Monopol erwachsene Kupfernetz der Telekom.
  • Vielmehr findet der neu implementierte wirtschaftliche Replizierbarkeitstest (Economic Replicability Test, ERT) Anwendung. Dieser Ansatz unterscheidet sich deutlich von der bislang im Kupferbereich angewandten KeL-basierten Entgeltregulierung. Die Marktgegebenheiten bei Glasfaserprodukten erlauben es, die Vorleistungsentgelte lediglich daraufhin zu überprüfen, ob diese Wettbewerbern die Nachbildung des Endkundenangebots der Telekom ermöglichen.
  • Wie bereits in der Konsultation 2017 angelegt, wurde somit der Übergang von einer Bottom-Up- zu einer Top-Down-Kalkulation der Entgelte umgesetzt. Die auf diese Weise erhöhte Flexibilität bei der Preissetzung bietet ein ideales Umfeld für die erheblichen noch notwendigen Investitionen in den Glasfaserausbau. Die unmittelbare Anwendung der etablierten KeL-Methodik, welche auf konstante Periodenkosten abstellt, hätte im Glasfasersegment angesichts der anfänglich noch niedrigen Nachfragemengen zu Verwerfungen bei der Entgeltberechnung führen können. Durch den neuen Kalkulationsansatz werden somit erhebliche Herausforderungen bei der andernfalls notwendigen Anpassung der KeL-Methodik vermieden, da schwierige behördliche Prognosen etwa zum Hochlauf der Glasfasernachfrage oder zur Bestimmung eines angemessenen Amortisationszeitraums durch diese marktnähere Vorgehensweise nicht mehr nötig sind.

Unter frühzeitiger Einbeziehung des Marktes wurde somit in einem transparenten Prozess ein neuer Entgeltregulierungsansatz für die Glasfaseranschlussnetze entwickelt, der ein investitionsfreundliches Umfeld schafft und gleichzeitig den Wettbewerb sowie die Verbraucherinteressen unterstützt.

Ausblick

Auch in der Zukunft wird die Bundesnetzagentur die konkrete Ausgestaltung von Margen-Prüfungen an den jeweiligen wettbewerblichen Erfordernissen ausrichten, die sich im Zeitverlauf – entsprechend den dynamischen Marktentwicklungen – ändern können. Darüber hinaus wird die Regulierungspraxis auch stets die europäischen Vorgaben im Blick behalten. Vor diesem Hintergrund ist geplant, auf Basis der von der EU-Kommission angekündigten neuen Access Recommendation erneut in einen Dialog mit dem Markt einzutreten, um möglichst zeitnah ein gemeinsames Verständnis der künftigen EU-Empfehlung zu entwickeln.

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