Monitoringbericht 2022 der Bundesnetzagentur und des Bundeskartellamtes

Ausgabejahr 2022
Erscheinungsdatum 30.11.2022

Das Bundeskartellamt und die Bundesnetzagentur haben heute den Monitoringbericht 2022 über die Entwicklungen auf den deutschen Elektrizitäts- und Gasmärkten veröffentlicht. Die enthaltenen Datenanalysen beziehen sich primär auf das Jahr 2021, bilden aufgrund der besonderen Lage auf den Energiemärkten bedingt durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine aber auch aktuelle Entwicklungen im Jahr 2022 ab.

"Die Folgen des andauernden russischen Angriffskriegs auf die Ukraine haben die bisherigen Verhältnisse auf den europäischen und deutschen Strom- und Gasmärkten auf den Kopf gestellt. Für den deutschen Strom- und Gasverbraucher sind sie in Form von steigenden Energiepreisen deutlich spürbar. Unser Monitoringbericht beschreibt auch erste Entwicklungen des Jahres 2022 mit gesichertem Zahlenmaterial," sagt Klaus Müller, Präsident der Bundesnetzagentur.

Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes: "Durch die Energiewende und die Stilllegung von Kapazitäten bei der konventionellen Stromerzeugung befinden sich die Märkte schon seit Längerem im Umbruch. Im Jahr 2021 ist der Konzentrationsgrad bei der konventionellen Stromerzeugung in Deutschland gestiegen, einige Stromerzeuger sind für die Deckung der Stromnachfrage in Deutschland zunehmend unverzichtbar. Die zugespitzte Situation ist gerade auch vor dem Hintergrund des Krieges gegen die Ukraine ein Grund mehr, die wettbewerblichen Strukturen konsequent zu schützen. Daher werden wir weiterhin den Markt aufmerksam beobachten, so auch im Rahmen der regelmäßigen Marktmachtberichte des Bundeskartellamtes."

Marktstruktur bei der Stromerzeugung

Die vorzeitige Stilllegung von Erzeugungskapazitäten im Jahr 2021 spiegelte sich auch in den Marktverhältnissen bei der nicht nach dem EEG geförderten, konventionellen Stromerzeugung wider. So ist der kumulierte Marktanteil der fünf größten Stromerzeuger beim Stromerstabsatz von 65,3 auf 66,5 Prozent im Jahr 2021 angestiegen. Durch die Marktverknappung bei der konventionellen Stromerzeugung, die zudem noch die aufgrund der wind- und sonnenarmen Witterung ausbleibenden Erzeugungsmenge aus erneuerbaren Energieträgern ersetzen musste, haben die verbleibenden Erzeugungskapazitäten bei einem insgesamt kleiner werdenden konventionellen Kraftwerkspark eine zunehmende Bedeutung. Im Falle der größeren Anbieter sind die Erzeugungsmengen angestiegen.

Die Verknappung der inländischen Erzeugungskapazitäten 2021 ging in diesem Jahr mit einer Verknappung von Gas infolge des russischen Angriffs auf die Ukraine einher. Gerade zu Spitzenlastzeiten war es kaum möglich, teure Gaskraftwerke durch günstigere Kraftwerke zu ersetzen. Außerhalb des Strommarktes befindliche oder zur Stilllegung vorgesehene Kohlekraftwerke kehren aktuell aufgrund der angespannten Situation auf den Energiemärkten und um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten an den Markt zurück. Diese Anlagen werden in den kommenden Monaten noch in vollem Umfang zu einer stabilen Stromversorgung beitragen. Darüber hinaus hat der Gesetzgeber mit Blick auf die Versorgungssicherheit beschlossen, die Laufzeit der drei verbliebenen Atomkraftwerke bis zum 15. April 2023 zu verlängern. Das langfristige gesetzgeberische Ziel bleibt jedoch, die Kohleverstromung in Deutschland schrittweise zu reduzieren und zu beenden.

Entwicklung bei Erneuerbaren Energieträgern

Die Erzeugung aus Erneuerbaren Energien sank 2021 aufgrund der vergleichsweise wind- und sonnenarmen Witterung um rund 7,2 Prozent. Der Anteil von Strom aus Erneuerbaren Energien am Bruttostromverbrauch sank damit auf 40 Prozent, nachdem er 2020 mit 45 Prozent einen vorläufigen Höchststand erreichte.

Der fortschreitende Ausbau der erneuerbaren Erzeugung bei gleichzeitigen Verzögerungen im Netzausbau führte zu Netzbelastungen, zu deren Behebung die Netzbetreiber verpflichtet sind. Dennoch konnten rund 97 Prozent des erneuerbaren Stroms auch tatsächlich zu den Verbraucherinnen und Verbrauchern transportiert werden.

Strom- und Gasgroßhandel

Seit Beginn des Angriffskrieges auf die Ukraine im Februar 2022 hat sich das Preisniveau im Strom- und Gasgroßhandel noch einmal vervielfacht und ist sehr volatil. Bis Ende August 2022 verdreifachten sich in der Spitze die Großhandelsstrompreise für den sog. Phelix-Base-Year-Future auf rund 1.000 Euro/MWh. Seitdem sind die Preise deutlich zurückgegangen, und die Preise im Stromgroßhandel folgen mit dieser Entwicklung sehr weitgehend der Preisentwicklung bei Erdgas. Denn im deutschen Stromgroßhandel setzen Erdgaskraftwerke in den meisten Stunden den Preis (Merit Order Prinzip). Zwar kann der geplante Weiterbetrieb von Kohle- und Kernkraftwerken preisdämpfend wirken, dennoch bleiben die Preise auf einem hohen Niveau.

Endkundenmärkte für Strom und Gas

Auf den Endkundenmärkten lagen die kumulierten Marktanteile der vier absatzstärksten Strom- und Gaslieferanten bei der Belieferung von leistungsgemessenen und Standardlastprofilkunden unter den gesetzlichen Vermutungsschwellen für eine marktbeherrschende Stellung. Angesichts dessen ist weiterhin davon auszugehen, dass auf diesen Märkten derzeit kein Anbieter marktbeherrschend ist.

"Dies ist aber kein Grund, uns zurückzulehnen", so Andreas Mundt. "Wir kümmern uns weiterhin intensiv um den Wettbewerb auf allen Endkundenmärkten. In diesem Jahr haben wir beispielsweise verhindert, dass es bei der geplanten strategischen Verbindung zwischen Westenergie und Rheinenergie vor allem bei der Versorgung von Endkundinnen und Endkunden mit Heizstrom im Großraum Köln zu wettbewerblichen Problemen kommt. Wesentliche Teile des Heizstromgeschäfts der Rheinenergie werden nunmehr auf einen Dritten übergehen."

Die stärksten Auswirkungen des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine lassen sich bei den Groß- und Einzelhandelspreisen beobachten. Zum Stichtag 1. April 2022 waren die Strompreise für Haushaltskunden im Vergleich zum Vorjahr um rund 10,5 Prozent gestiegen. Der Gaspreis für Haushaltskunden stieg zum Stichtag 1. April 2022 um rund 48 Prozent.

"Durch die starke Volatilität auf den Beschaffungsmärkten und geänderte Beschaffungsstrategien der Gaslieferanten verbunden mit einer weiteren Verknappung der verfügbaren Gasmenge ergeben sich Belastungen für Letztverbraucher, denen der Staat mit der Absenkung der Mehrwertsteuer und der Gaspreisbremse entgegen treten wir," sagt Klaus Müller.

"Bei allen Maßnahmen zur Eindämmung des Preisanstiegs bei der Strom- und Gasversorgung müssen natürlich immer auch die wettbewerblichen Auswirkungen im Auge behalten werden. Die schwerwiegenden Marktverwerfungen haben negative Auswirkungen auch auf die Wechselmöglichkeit und -bereitschaft im Strom- und Gaseinzelhandel gezeitigt. Es ist noch nicht absehbar, inwieweit sich die derzeitigen Verschlechterungen des Marktumfeldes als strukturell nachhaltig oder lediglich als Übergangsphänomen der extremen Preisvolatilität erweisen werden," erklärt Andreas Mundt.

Auch die Wirkung der eingesetzten Instrumente wird erst im nächsten und übernächsten Monitoringbericht vollumfänglich messbar sein.

Der aktuelle Bericht sowie weitere Informationen sind unter www.bundesnetzagentur.de/monitoringberichte veröffentlicht.

Pressemitteilung (pdf / 182 KB)

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